Der Phosphor hatte sich entzündet. Bald stand der Wald in hellen Flammen, Minen explodierten, Granaten, Patronen. Für ein paar Stunden schien der Krieg in den Hürtgenwald zurückgekehrt zu sein. Hört denn diese Schlacht nie auf? Für den acht Jahre alten Robert Hellwig war es 1947 einfach ein großes Abenteuer: mit dem Vater und dem Bruder nach dem Feuer in den verkohlten Spukwald gehen, um zu sehen, was er diesmal preisgab. Die Amerikaner hatten unglaublich viel stehen und liegen lassen, als die mörderische Schlacht nach Monaten endlich geschlagen war. Nicht nur Pistolen und Gewehre, sondern auch Konserven, die in den Nachkriegsjahren wertvoller waren als Gold.
Es war eine gefährliche Suche, dem Tod so nah. Überall lagen noch Minen der Wehrmacht im Boden. Die drei kamen an einem Stapel Granaten vorbei, die in Pappkartuschen verpackt waren. Wenn die hochgehen! Schnell nach Hause! Da! Auf dem hastigen Weg zurück lag dann dieser Tote am Boden. Ein verbranntes Skelett. Robert Hellwig erinnert sich, wie sehr ihn der schöne Kontrast faszinierte: Das weiße Gerippe auf dem verkohlten Boden. „Fass es bloß nicht an, sonst fällt es zusammen“, sagte der Vater.
Gut drei Jahre davor, von Spätherbst 1944 bis Anfang 1945, war die Nordeifel Schauplatz einer der längsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs im Westen – einer mit den größten Verlusten. In Amerika ist die Hürtgenwald-Schlacht bis heute ein Begriff. Das hat ein wenig damit zu tun, dass auch der spätere Literaturnobelpreisträger Ernest Hemingway an ihr teilnahm. Vor allem aber ist Hürtgenwald in der amerikanischen Militärgeschichtsschreibung ein Synonym für ein schmerzvolles Debakel. Denn es „war die verlustreichste, unproduktivste und am schlechtesten geführte Schlacht, die unsere Armee geschlagen hat“, wie der Kommandeur einer Fallschirmjägerdivision nach dem Kampf bitter urteilte. Mehr als 20 000 Soldaten verloren die Amerikaner.
Geschäftstüchtige amerikanische Programmierer haben den Kampf, der im Dezember 1944 in der Eifel um „Hügel 400“ tobte, sogar als Mission in das populäre Computer-Ballerspiel „Call of Duty“ eingebaut. „Los Taylor, Bewegung“, ruft darin ein Offizier. „Vorsicht, Deutsche.“ Taylor wirft eine Handgranate. Dann läuft der amerikanische Soldat durch den Wald, schießt hier einen Deutschen ab und dort, sucht Deckung. Anschließend bringt Taylor an einem Bunker eine Sprengladung an. Es gibt eine gewaltige Explosion. Grausamer Höhepunkt in der realen Hölle vom Hürtgenwald vor siebzig Jahren war aber nicht dieser Kampf im Dezember, sondern die „Allerseelenschlacht“ vom 2. bis zum 8. November.

Amerikanische Truppen waren im Sommer viel schneller von Westen her vorgerückt als gedacht. Schon am 12. September, nur 96 Tage nach der Landung in der Normandie, standen sie am Westwall bei Aachen. Auf ernsthaften Widerstand stießen sie zunächst nicht. „Setz’ den Kaffee auf, die Amerikaner kommen“, sagte Robert Hellwigs Vater zu seiner Frau, als er von einer privaten Erkundungstour mit dem Motorrad zurückgekommen war. Es schien, als würde der Krieg in den kleinen Eifeldörfern nun ganz schnell zu Ende sein. Schließlich war das Gebiet nahe Roetgen und auch Monschau schon unter amerikanischer Kontrolle.