AfD : Brief an den unbekannten Querulanten
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Hans-Olaf Henkel hat „sehr laute Karrieristen, Rechtspopulisten und Querulanten“ in der AfD entdeckt Bild: Reuters
Die AfD-Führung spricht mittlerweile offen über ihre Problemmitglieder. Ein Brief des Parteigranden Hans-Olaf Henkel zeigt den Grad der Ernüchterung. Vor Monaten klang der Mann noch ganz anders.
Hans-Olaf Henkel ist ein guter Schwärmer. Im Januar stand der AfD-Politiker auf dem Podium eines Parteitages und sagte: „Ich fühle mich wohl bei Ihnen.“ Die Delegierten jubelten. Über Wochen habe er Parteiveranstaltungen in ganz Deutschland besucht, „und ich habe nicht einen einzigen verrückten Neonazi gesehen“. Im Gegenteil, sagte Henkel, die Partei bestehe durchweg aus seriösen, hochgebildeten Bürgern.
Neun Monate später ist Henkel längst Europaabgeordneter und stellvertretender Bundesvorsitzender der AfD. Die Partei hat ihn in dieser Zeit kennengelernt – er sie aber auch. In einem Offenen Brief an die AfD-Mitglieder, welcher der F.A.Z. vorliegt, schreibt Henkel nun, es gebe „sehr laute Karrieristen, Rechtspopulisten und Querulanten“ in seiner Partei. Er halte es „für besser, hier den Medien gegenüber die Wahrheit zu sagen“, schreibt Henkel, nachdem er in der Zeitschrift „Der Spiegel“ damit zitiert worden war, die AfD müsse angesichts von „Unvernünftigen, Unanständigen und Intoleranten“ in ihren Reihen „für Aufklärung sorgen“. Henkel will klarstellen, dass damit nicht die Russlandversteher und die Gegner des Freihandelsabkommens TTIP gemeint seien.
Wie seine Rede im Januar handelt auch Henkels Brief von Besuchen bei der AfD-Basis – nur mit umgekehrten Vorzeichen. Er beobachte „groteske Vorurteile“ gegen die Vereinigten Staaten und sehe deren Ursprung in der Sozialisation vieler AfD-Wähler. „So habe ich bei meinen vielen Auftritten in Ostdeutschland in den Einstellungen einiger Zuhörer immer noch den starken Einfluss der 40-jährigen Indoktrination gefunden (Russland=friedlich, Nato=Krieg). Auch traf ich immer mal wieder auf Vorbehalte gegen die Globalisierung und gegen die Marktwirtschaft, aber auch auf abenteuerliche Verschwörungstheorien.“
Schon vor Wochen hatte der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke die Parteibasis ermahnt, Querulanten zu isolieren. Lucke muss wissen, wovon er spricht, denn er erlebt gerade eine Satzungsdebatte über die Frage, ob er alleiniger Parteivorsitzender sein soll. Lucke bestritt stets, er habe intern mit seinem Rücktritt gedroht, sollte die Satzung mehr als einen Vorsitzenden vorsehen. Nun sagte er der F.A.Z., wie das Dementi gemeint war: Er habe intern „deutlich gemacht“, nur dann zu einer Kandidatur bereit zu sein, wenn die „Arbeitsfähigkeit“ des Bundesvorstands gesichert werde. Darunter versteht er den alleinigen Vorsitz: Zwei oder drei Vorsitzende erhöhten den „Koordinierungsbedarf“ – er stoße als Abgeordneter und Parteivorsitzender auch deshalb oft „an die Grenzen der Belastungsfähigkeit“.