Abschiedsbesuch in Berlin : Havel verurteilt Vertreibung
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Havel überreicht einem Vertriebenen-Vertreter den Tschechischen Orden. Bild: dpa
Der scheidende tschechische Präsident Havel hat die Vertreibung von drei Millionen Sudetendeutschen verurteilt.
Der aus dem Amt scheidende tschechische Präsident Vaclav Havel hat die Vertreibung von drei Millionen Sudetendeutschen verurteilt. Tschechien sollte im eigenen Interesse fähig sein, nicht nur das vom deutschen Boden hervorgegangene Böse zu reflektieren, „sondern auch unsere eigene Geschichte und die grausamen Handlungen, die wir - wenn auch als Antwort auf grausame Handlungen anderer - selbst begingen“, sagte Havel am Freitagabend im Berliner Schloss Bellevue.
Er zeigte sich sicher, „dass die Tschechische Republik früher oder später auch in ihrer kritischen historischen Selbstreflektion noch weiter fortschreiten wird“. Der 66-jährige Havel hatte sich während seiner 13-jährigen Amtszeit für die Aussöhnung mit den Deutschen eingesetzt, auch gegen Widerstände im eigenen Land. Das Verhältnis beider Länder ist immer wieder durch die Verbrechen der Nazis und die nach Ende des Zweiten Weltkriegs folgende Vertreibung der Sudetendeutschen belastet worden. Grundlage für die Entrechtung der deutschen Minderheit waren die nach dem früheren CSR-Präsidenten benannten Benes-Dekrete.
Schröder ehrt Havel
Havel war am Freitag auf Einladung von Bundespräsident Johannes Rau zu seinem Abschiedsbesuch nach Berlin gekommen, wo er auch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) zusammentraf. Schröder betonte, Havel habe ein Stück Zeitgeschichte positiv beeinflusst und sehr viel dafür getan, dass das Verhältnis beider Staaten so gut sei, „was nicht heißt, dass es nicht noch besser sein könnte“.
Bei seinem Abschiedsbesuch in Berlin setzte Havel noch ein weiteres Zeichen der Versöhnung. In der tschechischen Botschaft ehrte er Altbundespräsident Richard von Weizsäcker sowie die Vizepräsidentin des Bundestages, Antje Vollmer, und drei Vertriebene für ihre Verdienste um das Verhältnis beider Länder mit Orden und Medaillen. Er freue sich, dass er „am Ende einer langen und erschöpfenden Amtszeit gerade diesen Personen diese Auszeichnungen verleihen darf“, sagte Havel.
„Versöhnung bedeutet nicht Vergessen“
Am Abend im Schloss Bellevue würdigte Rau das Eintreten Havels für eine Aussöhnung mit Deutschland. Die vor dem Fall der Berliner Mauer im Kalten Krieg erstarrten deutsch-tschechischen Beziehungen seien inzwischen „ohnehin viel besser als ihr Ruf“, sagte Rau. Vor der Wende habe es keine Diskussion über die Vergangenheit gegeben. Havel habe aber seit seinem Amtsantritt immer wieder deutlich gemacht, „dass Versöhnung nicht Vergessen bedeuten kann und Erinnern nicht die einseitige Aufrechnung von Schuld“.
„Die Versöhnung mit dem wiedervereinten Deutschland lag Ihnen, Herr Präsident, ganz besonders am Herzen“, sagte Rau. Inzwischen hätten beide Länder die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit gelegt. „Ich bin davon überzeugt, dass unsere beiden Völker, die auf jahrhundertealte Gemeinsamkeiten zurückblicken, im vereinigten Europa noch enger zusammenwachsen werden.“