60 Jahre Kriegsende : Putin feiert „Sieg der Freiheit über die Tyrannei“
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Der Kanzler und sein Gattin beim Besuch des Soldaten-Friedhofes in Ljublino Bild: AP
Bei der Gedenkfeier auf dem Roten Platz zum 60. Jahrestag des Kriegsendes hat Präsident Putin die deutsch-russische Versöhnung als eine „der wichtigsten Errungenschaften“ gewürdigt. Der Militärparade wohnte mit Schröder erstmals auch ein deutscher Kanzler bei.
Mit einer Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau hat Rußland am Montag des Sieges über Hitler-Deutschland vor sechzig Jahren gedacht. In seiner Ansprache würdigte Präsident Wladimir Putin den Beitrag aller Alliierten im Kampf gegen Nazi-Deutschland.
Der Militärparade wohnten Staats- und Regierungschefs aus mehr als 50 Staaten bei, unter ihnen der amerikanische Präsident George W. Bush, der französische Präsident Jacques Chirac und mit Gerhard Schröder erstmals auch ein deutscher Bundeskanzler. Die deutsch-russische Versöhnung bezeichnete Putin als eine „der wichtigsten Errungenschaften der Nachkriegszeit“.
Versöhnlichere Töne
Nach dem Streit der vergangenen Tage über die Rolle Moskaus als Besatzungsmacht schlug Putin in seiner Gedenkrede versöhnliche Töne an und erinnerte an die gemeinsamen Interessen zwischen Ost und West. Die Politik des heutigen Russlands basiere auf den „Idealen von Freiheit und Demokratie und dem Recht jeder Nation, seinen eigenen Weg zu wählen“.
Zwischen Ost und West dürfe es keine Kriege mehr geben, sagte Putin. „Wir müssen eine Weltordnung verteidigen, die auf Sicherheit und Gerechtigkeit gründet, auf einer neuen Kultur der wechselseitigen Beziehungen, die weder die Wiederholung von kalten Kriegen noch von heißen Kriegen zulässt.“ Gleichzeitig warb er für eine enge internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus.
In seiner Ansprache nannte Putin das Ende des Zweiten Weltkrieges einen historischen Sieg „des Guten über das Böse, der Freiheit über die Tyrannei“. Er gedachte auch mehrerer zehn Millionen Opfer in der Bevölkerung der Sowjetunion. (Lesen Sie dazu auch: Putins Rede zum 60. Jahrestag des Kriegsendes )
Putin erinnerte daran, daß auf dem Boden der Sowjetunion die grausamsten und entscheidenden Ereignisse des Krieges stattgefunden hätten. „Die Millionen Toten verpflichten uns zu großer Verantwortung. Wir müssen erkennen, an welchem Abgrund die Welt stand. Welche monströsen Konsequenzen Gewalt, moralische Intoleranz und Völkermord haben können.“
Russische Trikolore am Himmel
Mit dem russischen Kriegslied „Tag des Sieges“ wurde die Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau abgeschlossen. Luftwaffenjets malten die russische Trikolore weiß-blau-rot in den Himmel über dem Platz. Schon zuvor war die russsiche Luftwaffe im Einsatz: Seit dem frühen Morgen war sie mit Flugzeugen bemüht, die Wolken über Moskau chemisch aufzulösen. Pünktlich auf die Minute waren die Wolken über dem Roten Platz dann aufgerissen.
Tausende Soldaten waren in teilweise historischen Uniformen des Zweiten Weltkrieges aufmarschiert. Auch mehr als 2.000 russische Veteranen nahmen an der Parade teil. Nach der Militärparade legten Putin und seine Staatsgäste Blumen am Grabmal des Unbekannten Soldaten nieder. Dazu erklang am Ehrenmal an der Kremlmauer die russische Hymne. Die roten Blumen bildeten einen dichten Teppich um die ewige Flamme.
Bundeskanzler Schröder verfolgte die Parade gemeinsam mit Bush und Chirac in der ersten Reihe. Im Anschluß an die Parade legten die Staatsgäste Blumen am Grabmal des Unbekannten Soldaten nieder. Dann gab Putin einen Empfang im Kreml. Zuvor hatte sich Bush mit russischen Menschenrechtlern getroffen. Bush habe zu einem besseren Verständnis zwischen Staatsmacht und der Zivilgesellschaft aufgerufen, berichtete die Aktivistin Ljudmila Alexejewa. Gleichzeitig habe der amerikanische Präsident betont, er brauche ein gutes Verhältnis zu Putin, um ein Verständnis der Politik des jeweils anderen zu erreichen.
Strengste Sicherheitsvorkehrungen
Die russischen Behörden hatten strengste Sicherheitsvorkehrungen im Stadtzentrum von Moskau getroffen. Der 9. Mai ist ein blutiges Datum in der jüngsten russischen Geschichte. In den Jahren 2004 und 2002 hatten Terroristen jeweils am „Tag des Sieges“ im Nordkaukasus schwere Sprengstoffanschläge verübt und dabei insgesamt Dutzende Menschen getötet. Tausende Soldaten und Polizisten kontrollierten am Morgen die Straßen um den Kreml.
Am Vorabend der großen Feiern in Moskau bekräftigten Bush und Putin die Bedeutung ihrer bilateralen Beziehungen. Bushs Besuch unterstreiche den großen Anteil der Vereinigten Staaten und Rußlands an der Niederwerfung des Faschismus, sagte Putin bei einem Treffen in seiner Residenz Nowo-Ogarjowo bei Moskau.
Trotz schärferer Töne zwischen Moskau und Washington in den Tagen zuvor zeigten sich die beiden Präsidenten bei dem Treffen gelöst und plauderten nach Fernsehberichten ohne Dolmetscher. „Warum sollte ich Putin nicht vertrauen?“, wies Bush die Frage eines amerikanischen Journalisten zurück.
Ärger um den Hitler-Stalin-Pakt
Auf der ersten Station seiner Reise hatte Bush am Samstag in Lettland die sowjetische Besetzung des Baltikums nach dem Sieg über Hitler verurteilt. Die Vereinigten Staaten hätten die Besetzung der baltischen Staaten durch die Sowjetunion nie anerkannt und seien sich der leidvollen Geschichte des Baltikums bewußt.
Putin bekräftigte vor Veteranen im Bolschoi-Theater die russische Sicht. „Drei lange Jahre hat die Sowjetarmee fast im Alleingang gegen den Faschismus gekämpft, hier fanden die entscheidenden Schlachten statt“, sagte er. „Hier wurde der Mythos von der Unbesiegbarkeit der Faschisten-Armee zerstört, bis 1945 der große Sieg kam.“ Kreml-Sprecher wiesen baltische Versuche zurück, „die Geschichte des Zweiten Weltkriegs umzuschreiben“.
Die lettische Präsidentin Vaira Vike-Freiberga forderte in Moskau eine Verurteilung des Hitler-Stalin-Paktes von 1939. Zwar habe der Oberste Sowjet der Sowjetunion 1989 die Vereinbarung der Diktatoren Adolf Hitler und Josef Stalin verurteilt. Doch vom modernen Rußland stehe ein Eingeständnis des Unrechts aus, sagte sie. Die Vertreibung der deutschen Truppen aus dem Baltikum durch die Sowjetarmee 1944/45 sei keine Befreiung gewesen: „Für die baltischen Staaten löste eine ausländische Besatzung die andere ab.“ Der polnische Präsident Aleksander Kwasniewski legte Kränze in Moskau an Denkmälern für die Opfer des Stalin-Terrors nieder.