
Konflikt in der Ukraine : Krise außer Kontrolle
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Soldaten der ukrainischen Armee formieren sich südlich von Slawjansk Bild: AP
Das Wochenende bot von Odessa bis Slawjansk das Bild eines heraufziehenden Bürgerkriegs. Wer Militärbeobachter unter OSZE-Dach schon für eine Provokation hält, ist nicht daran interessiert, Verantwortung zu übernehmen.
Die Geiseln sind frei, jedenfalls die Geiseln, deren Freilassung Anlass bietet, in Berlin von einer „Deeskalation“ im Osten der Ukraine zu sprechen. Davon kann zwar keine Rede sein, im Gegenteil: Das Wochenende bot vielmehr von Odessa bis Slawjansk das Bild eines heraufziehenden Bürgerkriegs, an dessen Ende eine wie und von wem auch immer verwaltete Landverbindung zwischen Russland und der Krim stehen könnte. In der deutschen Öffentlichkeit werden solche Gedanken aber nur ungern zugelassen. Was sie bewegt, wurde klar, als sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gegen Stimmen zur Wehr setzen musste, die es für falsch halten, dass OSZE-Militärbeobachter überhaupt in die Ukraine reisen mussten. Ausgerechnet in den Osten! Und auch noch deutsche!
Wer das schon für eine Provokation hielt, der lässt sich nicht nur einschüchtern, wie die Ministerin kritisierte, der ist vielmehr gar nicht daran interessiert, Verantwortung in irgendeiner Form zu übernehmen. Es wirkt jedenfalls wenig glaubwürdig, Diplomatie als das beste Mittel anzupreisen, die Lage in der Ukraine unter Kontrolle zu bringen, jede deutsche Beteiligung an den Konsequenzen aber als Verletzung nationaler Interessen anzuprangern. In diesem Neutralismus treffen sich Linke und Rechte nach alter Tradition seit Beginn des Konflikts wieder – bis weit hinein in die SPD (Schröder), CDU (Mißfelder) und CSU (Gauweiler). Ganz ausgewogen geht es dabei aber nicht zu: Von Westen her drohen demnach Kälte, Kapital und Kulturbanausen, ostwärts dagegen winken Zukunft, Männerfreundschaft und Wärme durch Annäherung.
Der Riss, der durch die Ukraine geht, setzt sich so als Unentschlossenheit in Deutschland fort. Sie ist auch deshalb so ausgeprägt, weil die Lage in der Ukraine immer unübersichtlicher wird. Aus Moskau heißt es, über die Separatisten im Osten der Ukraine habe Russland keine Kontrolle (mehr). Sie reicht aber dennoch zur maßgeblichen Beteiligung an der Geiselbefreiung. Sie muss es außerdem gar nicht geben, um die Ziele Moskaus voranzutreiben. Eines dieser Ziele ist es, auch die OSZE so schwach und eingeschüchtert aussehen zu lassen wie in den Tagen der Entführung von Slawjansk. Auf die Dienste der OSZE kommt es aber an, wenn der Wahltermin am 25. Mai eingehalten werden und nicht als Farce enden soll. Das sollte aus Deutschland nicht durch Irrlichter zwischen den Welten vernebelt werden.