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Anders arbeiten : Zur Hölle mit dem Großraumbüro

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Zeichen der Zeit oder Zumutung? Bild: dpa

Die Telefone klingeln, die Kollegen nerven, die Tastatur klebt. Eine Hassrede – nach jahrelanger Arbeit in diversen Großraumbüros.

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          Gönnerhafte Manager werben fürs Großraumbüro mit schillernden Versprechen. Sie preisen die neuen Räumlichkeiten als ein Paradies der Kommunikation, der Zusammenarbeit und von „new work“ allgemein. Alles Quatsch! Der Grund dafür, dass Großraumbüros auf dem Vormarsch sind, ist furchtbar simpel: Diejenigen, die sich für ihre Einführung entscheiden, müssen anschließend nicht darin sitzen. Hätten die Entscheider in den hohen Stockwerken ein paar Wochen in einem Großraum gesessen, würden sie das nächste Mal vor allem Einzel- oder Zweierbüros planen. Oder mich fragen.

          Von den vergangenen zehn Jahren habe ich etwas mehr als acht im Großraumbüro gearbeitet. In vier deutschen Städten habe ich bei vier unterschiedlichen Arbeitgebern insgesamt sechs sogenannte Newsrooms kennengelernt. Alle hatten mindestens zwanzig Arbeitsplätze, die meisten deutlich mehr. Und kein einziger davon war ein Tempel der Freude. Der Gedanke an Flucht in die Einsamkeit der Schweizer Berge erfasste fast alle Großraumkollegen in regelmäßigen und heftigen Schüben.

          Der Ärger fängt direkt mit dem Arbeitsbeginn an, wenn man sich einen Schreibtisch suchen muss. Meist ist einer frei, alle zwei Wochen aber heißt es Warten. Mal zehn Minuten, mal eine ganze Stunde, bis einer frei wird. Eigentlich kein Problem, denn die Uhr tickt und der Arbeitgeber will es ja so. Sinnvoll ist diese Form der „sharing economy“ natürlich trotzdem nicht.

          Doch auch ein freier Schreibtisch garantiert keinen frustfreien Start in den Tag. Theoretisch muss in Büros mit wechselnder Besetzung jeder Kollege am Ende seiner Schicht seinen Platz aktenfrei und besenrein übergeben. In der Praxis lässt der Vorbesitzer jeden zweiten Tag seine Kaffeetasse stehen und ist verschwunden, bevor man ihn darauf hinweisen kann. Beim ersten Mal bringt sie der Nachfolger noch zur Küche und räumt sie in die Spülmaschine. Beim zehnten Mal auch noch. Beim hundertsten Mal stellt man sie einfach hinter den Monitor. Dann ist sie aus dem eigenen Sichtfeld und stört nicht mehr. Blöderweise verfahren die meisten Kollegen genauso, so dass die Tassen irgendwann anfangen zu leben. Das gleiche Spiel funktioniert übrigens auch mit Pfandflaschen. Alle drei Monate wird es dem Chef zu viel, und er beauftragt die Sekretärin damit, für Ordnung zu sorgen. Zwei riesige Müllsäcke lassen sich aus so einem Großraumbüro locker rausholen.

          Der Letzte ruft die Hotline an

          Überhaupt lassen Sauberkeit und Hygiene im Großraumbüro sehr zu wünschen übrig. Manche Kollegin bringt in ihrer Handtasche Desinfektionsmittel mit, um erst mal die Tastatur, die Maus und den Telefonhörer zu reinigen. Und spätestens, wenn der Kollege gegenüber permanent niest und seine Viren im Raum verbreitet, kippt die Stimmung auch bei weniger sensiblen Kollegen.

          Ist schließlich doch ein freier und hygienischer Schreibtisch gefunden, lauert eine letzte Hürde auf dem Weg in den Arbeitsprozess: das technische Equipment. Natürlich sollte immer alles funktionieren. Wer morgens trotzdem vor einem defekten Monitor oder einer hinkenden Computermaus sitzt, der hat zwei Möglichkeiten: Entweder er ruft die Technikhotline an und verbringt ein paar Minuten damit, das Problem zu beschreiben, die Raumnummer und die Inventarnummer des Monitors anzugeben (und anschließend umzuziehen, weil der Techniker erst in ein paar Stunden kommt). Oder aber man sucht sich gleich einen anderen Schreibtisch. Das geht wesentlich schneller, und das Problem wird an denjenigen durchgereicht, der sich keinen anderen Platz mehr suchen kann, weil alles belegt ist. Der Letzte ruft die Hotline an.

          Noch mal zurück zum Schreibtisch, der im Großraumbüro eher kleiner als größer ausfällt, damit man genug davon in den Raum quetschen kann. Oft bietet die Platte eines Großraumschreibtischs Platz für eine Tastatur, zwei Monitore, ein Telefon, die Computermaus und die Tasse des Vorgängers. Wer darüber hinaus noch Akten ausbreiten will, muss zusehen, wo er sie ablegen kann. Bei einem meiner alten Arbeitgeber war noch Platz für zwei Din-A4-Schreibblöcke, danach musste gestapelt werden. Auf den Boden auszuweichen und etwas neben dem eigenen Stuhl abzulegen, wird von den Kollegen nicht goutiert. Im besten Fall latscht spätestens der zehnte Passant über die Akten, im schlechtesten stolpert er mit seinem Heißgetränk und fängt mit dem Schimpfen an – alles mehrfach erlebt.

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