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Geschichte der Völkerwanderung : Aber diese Fremden da sind nicht von hier!

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Rüstet euch zum letzten Kampf, tapfere Nordmänner! - Funde aus Grab 53 in Collegno. Bild: Città Metropolitana di Torino

Tote nordalpiner Herkunft wurden nebeneinander bestattet – jedenfalls auf zwei Friedhöfen in Ungarn und Italien. Eine Studie zu den Langobarden zeigt musterhaft, was die DNA-Analyse für die Geschichte der Völkerwanderung leistet.

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          Unlängst erschien in „Nature Communications“ ein zukunftsweisender Beitrag zur Vergangenheit. Es handelt sich um eine Modellstudie zur Völkerwanderung und den Beitrag von DNA-Analysen zu deren Erforschung. Die Resultate sind bemerkenswert und genauso das Forschungsdesign. Denn der Initiator, der Mediävist Patrick Geary vom Institute for Advanced Study in Princeton, hat ein internationales Team von Historikern, Genetikern und Archäologen zusammengebracht, dem die erste wirklich interdisziplinäre Untersuchung auf dem Gebiet der „Genetic History“ gelungen ist, auch bekannt als Archäo- oder Paläogenetik (Carlos E.G. Amorim et al., „Understanding 6th-century barbarian social organization and migration through paleogenomics“).

          Die Studie befasst sich mit zwei frühmittelalterlichen Gräberfeldern, einem in Westungarn und einem im Piemont. Beide Stätten waren schon zuvor aufgrund der Grabbeigaben mit den Langobarden in Verbindung gebracht worden.

          Diese Germanengruppe wird in Schriftquellen im ersten nachchristlichen Jahrhundert an der Unterelbe erwähnt und dann nach langer Pause erneut am Ende des fünften Jahrhunderts an der Donau. In der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts werden die Langobarden in Pannonien verortet, der römischen Provinz südlich der mittleren Donau. Im Jahr 568 sollen sie von dort geschlossen nach Italien übergesiedelt sein, geführt von ihrem König Alboin. Die Verlässlichkeit der Textzeugnisse ist aber wegen großer kultureller, zeitlicher und räumlicher Distanz zu den Ereignissen fragwürdig. Fest steht immerhin, dass die Langobarden bis zum Anfang des siebten Jahrhunderts den größten Teil der italienischen Halbinsel unter ihre Herrschaft brachten.

          Langobarden im Zentrum der Debatte um Ethnien

          Der langobardische Italien-Zug war gemäß historiographischer Konvention der Abschluss der Völkerwanderungszeit. Eine Zeitlang hatte er sogar als Modellfall für eine archäologisch fassbare barbarische Migration gegolten. Denn zahlreiche den Langobarden zugeordnete Grabstätten in Westungarn und Italien schienen klar zu bestätigen, was die Schriftquellen sagten: dass sie im frühen sechsten Jahrhundert in Pannonien ankamen, später im selben Jahrhundert ihre Siedlungsgebiete dort räumten, um anschließend in Italien sesshaft zu werden und fortan hier Grabspuren zu hinterlassen. Heute jedoch stehen die Langobarden im Zentrum einer unter Historikern und Archäologen geführten Debatte um Migration und Ethnizität im Frühmittelalter. Es geht um die grundsätzliche Frage, ob durch bestimmte Grabgüter konstituierte Fundkulturen tatsächlich mit den in den Schriftquellen erwähnten Ethnien identifiziert werden können – beziehungsweise darum, ob dies überhaupt einen Erkenntnisgewinn erbringt. Der erbitterte Streit verbindet sich mit den Namen der deutschen Frühmittelalterarchäologen Volker Bierbrauer (pro ethnische Zuschreibung) und Sebastian Brather (kontra) und hat alte Gewissheiten zu den Langobarden schwer erschüttert.

          In den letzten Jahren kam mit der neuen Möglichkeit genetischer Analysen nun eine weitere Quelle ins Spiel, nämlich das in den Gräbern überlieferte menschliche Erbgut. Bei der Erschließung des Knochenmaterials wie bei der technischen Sequenzierung sind die Fortschritte so rasant, dass oft die Rede von einer „ancient DNA revolution“ ist.

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