Wissenschaftspolitik : Was will die Ministerin?
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In Erklärungsnot: Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) Bild: dpa
Mit ihrer undurchsichtigen Förderpolitik bringt Ministerin Stark-Watzinger die Wissenschaft gegen sich auf. Hat ihre Politik überhaupt einen Kurs?
Seit diesen Tagen weiß die Wissenschaft, dass sie sich am Bundesministerium für Bildung und Forschung kein Beispiel nehmen kann, wenn sie wieder einmal zur Kommunikation mit der Gesellschaft aufgefordert wird. Wochen und Monate war das Ministerium verstummt, als Wissenschaftler von ihm wissen wollten, wann und ob die Gelder für mündlich zugesagte Forschungsprojekte kommen würden. Wenn die Ministerin nun sagt, es handele sich um keinen Forschungsstopp, weil die Bewilligungen ja nur mündlich in Aussicht gestellt waren, dann fragt man sich, was sie von mündlichen Zusicherungen ihres Ministeriums hält und worauf sich die Wissenschaft eigentlich verlassen kann.
Einige der Projekte sollen nun doch weiterlaufen, teils in abgespeckter Form, etwa die zu den sozialen Folgen der Corona-Pandemie (achtzehn von zweiunddreißig Projekten) oder zum Rechtsextremismus und Rassismus, die ihr persönlich sehr wichtig seien, wie die Ministerin sagte. Es geht in der Wissenschaft aber nicht darum, was einer Ministerin persönlich am Herzen liegt und zufällig auch noch gesellschaftspolitisch am Puls der Zeit ist, sondern um eine Förderpolitik, die auch Dinge fördert, deren Sinn und Nutzen dem Laien nicht unmittelbar verständlich, die aber doch vorhanden sind, etwa die im Aufbau befindliche Nationale Infrastruktur für Forschungsdaten, die dafür sorgen soll, dass Forschungsdaten nach allgemeinen Standards verfügbar und austauschbar sind. Auch hier schob das Ministerium die Finanzierungszusage erst nach öffentlichem Protest nach und sprach von einem Kommunikationsfehler.
Große Ziele, kleine Schritte
Das Problem ist bei alldem nicht, dass das Ministerium sparen muss, sondern dass es keine Linie erkennen lässt. Die Formel vom „schnellen Impact“, den es angeblich von der Wissenschaft erwartet, konnte nur deshalb so weite Kreise ziehen, weil das Ministerium damit auf den parteipolitischen Markenkern schrumpfte: marktgängige Forschung, typisch FDP. Auch bei ihren nachgeschobenen Erklärungen konnte die Ministerin nicht erklären, was außer Innovation und Zukunftsfähigkeit ihre politischen Ziele sind. Die „Wasserstoffrepublik“, die sie ankündigte, wollte schon ihre Vorgängerin errichten, der sie im „Tagesspiegel“ vorhält, manche Projekte unsicher finanziert zu haben. Ähnliches lässt sich aber auch vom hoch ambitionierten Koalitionsvertrag behaupten, der die Handschrift der Ministerin trägt: Über die Finanzierung der Talentschulen, einen Hochschuldigitalpakt oder das Herzstück, eine neue Agentur für den Forschungstransfer, wurde dort kein Wort verloren.
Bisher ist der Ministerin nur ein kleiner Reformschritt beim Bafög gelungen. Die Hochschulen blicken derweil mit viel Skepsis auf das Konzept für die Innovationsagentur, das nicht die Sprache der Wissenschaft, sondern der Wirtschaft spricht und wohl im Wirtschaftsministerium besser aufgehoben wäre, wo es ganz ähnliche Programme ja auch schon gibt. Von der geplanten Reform des Kapazitätsrechts, eigentlich eine gute Idee, ist wenig bis nichts zu hören. Dazu hat das Ministerium mit der Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes ein Thema geerbt, bei dem man nicht glänzen kann. Die Misere des akademischen Mittelbaus lässt sich damit nicht aus der Welt schaffen, und ganz abschaffen will man es nicht.
Was also ist das Thema der Ministerin? Die Debatte um die Wissenschaftsfreiheit ist es jedenfalls nicht. Auch dazu hat sie sich erst auf Druck von außen geäußert, als die Humboldt-Universität den Vortrag der Biologin Marie-Luise Vollbrecht absagte. Noch dazu verstrickte sie sich in Widersprüche. Einmal fand sie, dass Vollbrecht das ihr von Aktivisten abgesprochene Recht habe, ihre Meinung, dass Geschlecht und Körper etwas miteinander zu tun haben, an der Humboldt-Universität zu äußern, und zwar nötigenfalls unter Polizeischutz; zugleich bezeichnete sie sich als freudige Anhängerin des von der Ampelkoalition geplanten Selbstbestimmungsgesetzes, mit dem Vollbrecht dieses Recht gleich wieder entzogen würde, wenn sie es auf eine konkrete Person bezöge, denn die Benennung des „früheren“ Geschlechts von Transsexuellen und Transgenderpersonen soll hier mit einem Offenbarungsverbot belegt sein.
Auch zum Thema Bildung fällt der Ministerin nicht viel ein. Sie ist für sie eine Ressource für den sozialen Aufstieg, also nicht mehr als eine Kompetenzvermittlungsmaschine. Mit einer Zukunftsstrategie Forschung und Innovation will das Ministerium demnächst Klarheit über seine Ziele schaffen. Hoffentlich kommt diese Zukunft recht bald.