Wirtschaftskriminalität : Den Tätern auf der Spur
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Blaulicht und Razzia sind gar nicht so häufig: Wirtschaftskriminalisten habe viel Schreibtischarbeit Bild: dpa
Wirtschaftsverbrecher rauben dem Staat viel Geld. Die Verbrechen aufzudecken, ist oft komplex. Die Polizei setzt darum auf Quereinsteiger.
Anlagebetrug in großem Stil, Abzocke im Internet, Mauscheleien im Gesundheitswesen oder der Abgasschwindel bei den Autoherstellern. Die Wirtschaftskriminalität zeigt sich in vielen Facetten. Allein beim baden-württembergischen Landeskriminalamt laufen gegenwärtig 72 Großverfahren, mit denen sich die weit mehr als 100 Mitarbeiter umfassende Abteilung für Wirtschafts- und Umweltkriminalität und Korruption zu befassen hat. Die Ermittlungen übernehmen meist traditionell ausgebildete Kripobeamte. Doch nicht alle Mitarbeiter der Abteilung haben die klassische Polizeiausbildung absolviert.
Unter ihnen sind neuerdings auch Wirtschaftskriminalisten zu finden. Das sind Kriminalbeamte mit einer Spezialausbildung, die zunächst bei einer Bank, bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder in der Industrie tätig waren, bevor sie zur Polizei kamen, wie Abteilungsleiter Thomas Lutz berichtet. Diese Sonderlaufbahn für Seiteneinsteiger gibt es nicht in jedem Bundesland. Analina Wütherich, 35 Jahre alt, und Olaf Busch, 49 Jahre alt, gehören zu den 125 Wirtschaftskriminalisten, die die seit 1999 in Baden-Württemberg angebotene und ein Jahr dauernde Spezialausbildung durchlaufen haben.
Gesucht: Wirtschaftswissenschaftler mit Berufserfahrung
Voraussetzung dafür seien ein einschlägiges Studium in Betriebswirtschaft, Wirtschaftswissenschaft oder Wirtschaftsrecht und mindestens drei Jahre Berufserfahrung, wie Lutz berichtet. In der Regel sind daher die Einsteiger mindestens 25 Jahre alt. Wütherich kam eher durch Zufall zum Landeskriminalamt nach Stuttgart. Nach klassischer Bankausbildung, Wirtschaftsrechtsstudium und dem anschließenden Master in Betriebswirtschaft und zuletzt mehr als sechs Jahren Tätigkeit bei einem Wirtschaftsprüfer wollte sie etwas Neues machen. „Ich habe in einer Internetsuchmaschine die entsprechende Stellenanzeige entdeckt“, sagt die Betriebswirtin, die Anfang des Jahres ihre Ausbildung abgeschlossen hat.
Die umfasste zum einem das Pauken der einschlägigen Gesetzestexte und zudem verschiedene Kurzpraktika. Wütherich hospitierte bei den Drogenermittlern und bei den für Finanzermittlungen und Betrug zuständigen Abteilungen und machte auch eine ganz neue Erfahrung: „Bevor ich zur Polizei ging, hatte ich noch nie eine Waffe in der Hand“, sagt sie. Aber natürlich erhalten die Seiteneinsteiger auch eine Schießausbildung.
Wütherich greift bei ihrer jetzigen Tätigkeit auf ihre zuvor in der freien Wirtschaft gesammelten Erfahrungen zurück. Da fällt beispielsweise der Umgang mit betrügerischen Geschäftsinhabern leichter, die Gelder von gutgläubigen Anlegern verschoben haben. „Ich bin von früher den Umgang mit Geschäftsführern oder Buchhaltern gewohnt.“ Andere müssen das erst lernen. Die Motive, warum die früher in der Wirtschaft tätigen Mitarbeiter zur Polizei wechseln, sind recht unterschiedlich.