„Geld regiert die Welt“ : Wie wichtig ist Geld?
Bild: Stefan König
Wir reden nicht gerne darüber – schon gar nicht in Gehaltsverhandlungen. Am liebsten sagen wir, dass es uns nicht interessiert. Dabei ist es die Grundlage unseres Lebens. Warum löst es so verschiedenartige Emotionen aus? Welche Rolle sollte es bei der Berufswahl spielen? Und wie lernt man, souverän damit umzugehen? Eine Geschichte über Geld.
Eigentlich wollte sie nur einer unzufriedenen Studentin Mut machen; ihr gut zureden, dass man auch mit 26 noch das Fach wechseln kann. Doch dann löste das, was die angehende Medizinstudentin mit dem Pseudonym „Christie“ im Forum des Internetportals Medilearn von sich gab, einen handfesten Streit aus. „Wir müssen alle bis ins hohe Alter arbeiten gehen“, schrieb sie, „da lohnt es sich doch wirklich, sich eine Sache zu suchen, die einen erfüllt und fordert. Ich habe mit 28 einen verdammt gut bezahlten Job als Product Manager in einem Musikkonzern gekündigt, um endlich Medizin studieren zu können.“ Jetzt müsse sie zwar tierisch auf ihre Kohle achten. „Aber: Ich bin viel glücklicher seitdem, denn ich beschäftige mich mit sinnvollen Dingen, die im Leben wirklich zählen.“
Jabba666 hatte dafür überhaupt kein Verständnis. „Du musst doch echt verrückt sein, bei der Lage des Arbeitsmarktes so einen Job zu schmeißen. Klär mich mal auf.“
Nicht Christie antwortete darauf, sondern Giant: „O. K., ich kläre dich mal auf: Berufliche Zufriedenheit ist eben nicht ausschließlich auf einen hohen Stundenlohn zu reduzieren!“ Jetzt mischte sich eine vierte Person namens „Altruist“ ein: „Meine Fresse, hat du ’ne Teletubbiementalität!“
Der Disput zeigt zum einen, dass ein gutes Gehalt nicht bei allen den gleichen Stellenwert hat. Zum andern macht er deutlich, wie kontrovers das Thema ist. Wie wichtig ist Geld? Welche Rolle sollte es bei der Entscheidung für ein Studienfach oder beim Berufseinstieg spielen? Geht finanzielle Sicherheit vor beruflicher Selbstverwirklichung? Diese Fragen lösen bei vielen Menschen starke Emotionen aus.
Geld hat eine psychologische Bedeutung
Petra Bock erlebt dies immer wieder. Sie ist Coach in Berlin, der Umgang mit Geld ihr Spezialgebiet. „Schüchternheit, Scheu und Hemmungen“, sagt sie im Interview mit dem F.A.Z.-Hochschulanzeiger (auf S. 12), „sind typische Reaktionen, wenn es um Finanzielles geht.“ Viele ihrer Kunden wichen aus und wechselten das Thema, andere fühlten sich herausgefordert und reagierten aggressiv. „Nicht selten fließen Tränen.“ Den Grund für diese Reaktionen kennt die Expertin auch: Geld sei eben mehr als nur ein Tauschmittel, mehr als ein Medium, das uns erlaubt, das zu kaufen, was wir zum Leben brauchen.
Geld hat vielmehr neben der wirtschaftlichen immer auch eine psychosoziale Bedeutung. Es steht für Erfolg, Sicherheit, Anerkennung, Macht, Lebensqualität, Selbständigkeit. Geld ruft Gefühle wie Stolz oder Neid hervor und beeinflusst maßgeblich, wie wir andere Menschen bewerten. Auch unseren Selbstwert binden wir an Geld – was sich beispielsweise im Unbehagen äußert, das viele Männer verspüren, wenn sie weniger verdienen als ihre Lebenspartnerin. Dass viele Menschen lieber für einen Hungerlohn arbeiten als staatliche Unterstützung in gleicher Höhe in Anspruch zu nehmen, zeigt ebenfalls: Geld füllt nicht nur unseren Kühlschrank, sondern hat viel mit Ehre und Bestätigung zu tun. Der Forscher Christopher Boyce und sein Team von der britischen University of Warwick befragten im Rahmen einer Studie 12 000 Menschen. Sie wollten wissen, ob es einen Zusammenhang zwischen den Gehältern der Leute und ihrer Lebenszufriedenheit gibt. Das Ergebnis überraschte: Nicht die Höhe des Gehalts entscheidet über Wohl und Wehe, sondern der Rang im Gehältervergleich. Heißt: Wir sind glücklich, wenn wir mehr verdienen als unsere Kollegen, Nachbarn, Freunde.