Rassismus an der Uni : Weiße Orte
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Die Professorin Katajun Amirpur macht sich an der Kölner Uni gegen Rassismus stark. Bild: Christian O. Bruch/Laif
Hochschulen gelten als Orte der Toleranz und Weltoffenheit. Doch ein genauer Blick zeigt: Auch sie sind vor strukturellem Rassismus nicht gefeit. Einige Bildungsstätten machen das Thema deshalb jetzt zur Chefsache.
Als Katajun Amirpur eine Stelle als erste Rektoratsbeauftragte für Rassismuskritik angeboten wurde, lehnte sie erst einmal ab. „Ich bin ziemlich weiß, und da ich kein Kopftuch trage, erlebe ich auch keine anti-muslimische rassistische Diskriminierung“, erklärt die Professorin für Islamwissenschaften. Amirpur wurde 1971 in Köln geboren, ihr Vater kommt aus Iran, ihre Mutter ist Deutsche. „Bei solchen Stellen geht es aber immer auch um Repräsentation und Sichtbarmachung, deshalb ist meine Besetzung nicht wirklich ideal.“ Doch unter den rund 500 Dozierenden der Universität zu Köln suchte sie vergeblich nach passenderen Kandidaten: Es fanden sich keine People of Color unter den Professoren, auch keine Dozentin mit Kopftuch. So nahm Amirpur die Stelle zusätzlich zu ihrer Professur dann schließlich doch selbst an.
Die Kölner Universität hat mit der Berufung von Amirpur zur obersten Rassismuskritikbeauftragten eine Position geschaffen, die man an den allermeisten anderen Hochschulen in Deutschland vergeblich sucht: Sie ist eine Verantwortliche auf oberster Ebene, die Rassismus in der eigenen Institution systematisch den Kampf ansagt. Nun könnte man sich fragen: Braucht es angesichts der heute an jeder Universität bereits vorhandenen Gleichstellungsbüros tatsächlich noch zusätzliche Stellen, die sich explizit mit dem Thema Rassismus befassen? Es gibt wohl kaum noch eine deutsche Hochschule, die sich nicht ihre Weltoffenheit, Toleranz und Diversität auf die Fahnen schreiben würde und auch das ein oder andere Projekt zum Thema Rassismus vorzuweisen hätte. Ist die Einrichtung von zentralen Antirassismusreferaten also nur ein Trend, der aus den USA zu uns herüberschwappt, wo an den Universitäten inzwischen schon lautstark über „Cancel Culture“, also eine unfreie Debattenkultur gerade auch beim Thema Rassismus, gestritten wird?
„Das macht den Unterricht weniger eurozentristisch“
Expertinnen wie Amirpur, die unter anderem zu Rassismus forscht, sind überzeugt: Es braucht genau solche „Scharnierstellen“, wie Amirpur ihre Position selbst bezeichnet, um an deutschen Hochschulen endlich ein kritisches Bewusstsein für rassistische Strukturen zu schaffen. Amirpur soll in ihrer neuen Position all jene, die sich an der Uni schon mit dem Thema beschäftigen, miteinander vernetzen und strukturübergreifende Projekte koordinieren. Eine solche Initiative ist zum Beispiel das Kölner Forum „Decolonizing Academia“, das sich mit vom Kolonialismus geprägten Lehrstrukturen auseinandersetzt und gerade eine Reihe von Veranstaltungen mit Gastlektoren aus dem Globalen Süden ausrichtet. Die Dozierenden werden gemeinsam mit den Gastlektoren unterrichten, um deren Perspektive einzubringen. „Das macht den Unterricht weniger eurozentristisch“, sagt Amirpur. Außerdem hält sie den Kontakt zum BIPoC-Referat der Universität, das sich schon im Jahr 2019 auf Initiative von Studierenden gegründet hat. BIPoC steht für Black, Indigenous, People of Color. Das Referat pflegt in seinen Sprechstunden Kontakt zu Studierenden, die bereits Rassismus erfahren haben.