Hat die Online-Lehre mich zum Weichei gemacht?
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Selbst viele Drittsemester fühlten sich zum Semesterbeginn wie Erstis, hier bei der Begrüßung an der Universität Mainz. Bild: Stephan Lucka
Die Hälfte meines Studiums ist vorüber. Die letzten zwei Jahre haben viele von uns vor dem Bildschirm gehockt, statt im Hörsaal. Jetzt fühlen wir uns auf dem Campus wie Erstis. Was haben wir verpasst?
Der verstohlene Blick auf den Lageplan meiner Uni war mir ziemlich peinlich. Gleich sollte meine Vorlesung anfangen und ich hatte keine Ahnung, wo Hörsaal 3H ist, in dem ich etwas über die Grundlagen der Demokratie lernen soll. Ich habe jetzt die Hälfte meines Studiums hinter mich gebracht, den Hörsaal musste ich unfreiwillig drei Semester lang gegen meine Studentenbude eintauschen und trotzdem habe ich immer noch das Gefühl, das ich gerade erst mit dem Studium begonnen habe.
Diese romantische Vorstellung von Campus-Partys, vom Gruppenbüffeln in der Bibliothek und der Begeisterung für ein komplett neues Fach begleitet mich, seitdem ich weiß, dass ich studieren will. Eine einmalige Chance sich auszuprobieren, zu genießen und Freunde fürs Leben zu finden. „Das wird die beste Zeit deines Lebens“, haben meine Eltern zu mir gesagt. Und ich habe mich tierisch darauf gefreut. Durch die Pandemie kam es anders.
Als ich den Hörsaal dann gefunden hatte, ließ ich mich auf eine Bank fallen. Ich war viel zu früh. Ich scrollte durch Insta, war aber nicht bei der Sache. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie sich der Platz vor dem Hörsaal füllte. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte ich zu erkennen, ob mir irgendwer aus den Online-Meetings bekannt vorkäme. Ich hatte noch nie so viele meiner Kommilitonen auf einem Haufen gesehen. Irgendwie war ich froh, dass noch die Maskenpflicht galt, hinter Masken lässt es sich gut verstecken, wenn man will. Und dann fragte ich mich: Wann ist aus dir so ein Weichei geworden?
Die Erstis gingen mir auf die Nerven
Die meisten der anderen Studenten machten es mir gleich und setzten sich alleine, einige fanden sich sich aber auch in Kleingruppen zusammen, quatschten fröhlich und zogen neidische Blicke auf sich. Die haben geschafft, was ich auch schaffen wollte. Wann bin ich dran? Ich hätte mich gerne dazugestellt, neue Bekanntschaften geschlossen, im Hörsaal in einer kleinen Gruppe gesessen, aber statt all das in Angriff zunehmen, starrte ich nur kurz gequält in die Richtung der einen Gruppe und scrollte weiter durch meinen Feed. Welch eine Niederlage.
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