Kolumne „Uni live“ : „Geh zurück in dein Land“
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Blick auf das Paulinum der Universität Leipzig Bild: dpa
Unsere Autorin studiert in Ostdeutschland und kennt von Kommilitonen viele Geschichten über rassistische Vorfälle im Alltag oder an der Uni. Zwei Erfahrungsberichte von Bekannten.
Günstig wohnen, viel Freiraum und schöne Altstädte – es gibt viele gute Gründe das Leben in Ostdeutschland zu genießen. Trotzdem wird mir immer wieder klar, dass nicht alle Menschen so unbesorgt wie ich nach Sachsen oder Thüringen ziehen können. Menschen, die nicht aussehen wie „Biodeutsche“, haben es hier nicht nur schwerer, sondern fühlen sich oft auch zu recht unsicherer.
Das ist nicht bloß ein vages Gefühl. Auf einer Deutschlandkarte kann man anhand der rassistischen Verbrechen zweifelsfrei die ostdeutschen Bundesländer identifizieren: Während der Verfassungsschutz im Jahr 2018 zum Beispiel in Bremen gerade mal 0,29 Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund pro 100.000 Einwohner zählte, waren es in Brandenburg 4,72 und in Sachsen-Anhalt 4,12.
Noch viel häufiger als die Ereignisse, die in solche Statistiken eingehen, sind die kleinen Vorfälle im Alltag: Ein „Geh zurück in dein Land“ im Bus, grundlos angeschrien werden am Bahnhof oder Vermieter, die fordern, dass mindestens 60 Prozent Deutsche in einer Wohnung leben müssen.
Von vielen meiner Bekannten kenne ich diese und andere Geschichten. Weil mir als weißer (kursiv, weil soziopolitische Stellung) Person aber nie solche Dinge passieren, habe ich zwei gebeten, von ihren Erfahrungen zu berichten.
Monty, 26 Jahre alt, hat südasiatische Wurzeln, in Magdeburg Medizin studiert und ist jetzt im Zweitstudium an der Uni Leipzig.
Das erste, das ich dachte, als ich den Hörsaal beim Medizinstudium betreten habe, war: Hier ist es wirklich sehr weiß. Von mehr als 200 Studierenden waren bloß rund zehn „BI_POC„ (Black Indigenous People of Color, Selbstbezeichnung von nicht weißen Menschen). In den Jahrgängen über uns, waren es sogar noch weniger. Es gab Dozierende, die bekannt dafür waren, dass sie gerne „BI_POC“ fertig machten. In einem Kurs beispielsweise wurden immer uns die schwierigen Fragen gestellt und so konnten wir es uns nicht ein einziges Mal erlauben, unvorbereitet zu sein. Das ganze Studium hatte ich das Gefühl, dass wir immer mehr leisten mussten und uns mehr beweisen mussten als weiße Mitstudierende. Ich weiß, das klingt wie eine Unterstellung, aber gerade mündliche Prüfungen sind für uns oft anders abgelaufen.
Abgesehen davon erinnere ich mich noch an einige spezielle Vorfälle: Einmal gab es eine richtig seltsame Situation mit einem Dozierenden. Er fragte mich, woher ich komme. Als ich darauf erwiderte „Hier aus der Region“, hakte er nochmal speziell nach meinen Wurzeln nach und sagte dann „Dafür bist du aber ganz schön dunkel“. Danach herrschte erstmal Stille.
In solchen Situationen hat mich nie jemand Außenstehendes unterstützt. Das lag bestimmt auch daran, dass es im Medizinstudium sehr hierarchisch zugeht. Ich selbst habe mich auch erst in den höheren Semestern getraut, mich mit Dozierenden anzulegen.
Gleichzeitig war die Situation mit Kommilitoninnen und Kommilitonen oft genauso schwierig: Immer wieder wurde ich darauf reduziert migrantisch zu sein. Auch mein Praktisches Jahr prägten solche Erfahrungen: Einmal fragte eine Ärztin mich in Bezug auf einen syrischstämmigen Patienten, wie das denn bei uns so sei. Da wusste ich nicht, was ich sagen sollte.
Als ich in Leipzig ein geisteswissenschaftliches Studium angefangen habe, hoffte ich, dass Rassismus besser reflektiert wird. Mir wurde aber schnell klar, dass es dort genau dieselben Probleme gibt.