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Kolumne „Uni live“ : Ein Buchtitel zum Stolpern

  • -Aktualisiert am

Umstritten: Der Titel dieses Kurzkommentar-Bands Bild: F.A.Z. / Henner Flohr

Ist es unangemessen, dass ein Buch, mit dem wir im Jurastudium fast täglich hantieren, den Namen eines Nationalsozialisten trägt? Eine gute Frage. Gestellt wird sie immer lauter.

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          Was würden Sie denken, wenn Ihnen jemand erzählte, Konrad Duden, der Namensgeber unseres heißgeliebten deutschen Standardwörterbuchs, sei NSDAP-Mitglied gewesen? Natürlich rein theoretisch, denn in Wirklichkeit war er das nicht. Duden war streng religiös, ein glühender Fan Otto von Bismarcks und schon neun Jahre vor Gründung der Nazi-Partei tot. Doch stellen Sie sich einmal vor, er wäre tatsächlich  Nationalsozialist gewesen. Fänden Sie es unangemessen, wenn Ihr Wörterbuch seinen Namen trüge?

          Welch gute Frage für alle Jurastudierten und solche, die es werden wollen! Denn zufällig haben wir unseren eigenen Duden und der heißt „Palandt“. Also der Mann – und das Buch natürlich auch. Also: Es gibt einen Mann und ein Buch und beide heißen Palandt, so wie es einen Konrad Duden und ein Buch namens „Duden“ gibt. Das Buch ist ein juristisches Standardwerk und der Mann war ein Mistkerl. Also Palandt, nicht Duden. Was ich eigentlich sagen will: Otto Palandt, der Namensgeber des meistverkauften deutschen Zivilrechtskommentars, war NSDAP-Funktionär und Nationalsozialist.

          Und er ist nicht der einzige Nazi, dessen Name immer noch den Deckel juristischer Standardliteratur kürt. Der Palandt steht in einer wenig ruhmreichen Reihe mit dem „Schönfelder“, einer sehr beliebten Gesetzessammlung und Markenzeichen der Jurastudierenden, benannt nach NSDAP-Mann Heinrich Schönfelder. Als Rechtsstudentin muss ich mir spätestens zum Examen so einen rotgebundenen Ziegelstein zulegen. Dazu gesellt sich der Grundgesetzkommentar „Maunz/Dürig“, benannt nach Theodor Maunz, seines Zeichens Staatsrechtler und früherer bayrischer Kultusminister, über den sich nach seinem Tod herausstellte, dass er anonym Beiträge für die rechtsextreme National-Zeitung verfasst hatte.

          Unterstützer kommen mehrheitlich aus der Studierendenschaft

          Kurz zu Gesetzeskommentaren: Zum Leid der Jurastudierenden steht im Gesetzestext bei weitem nicht alles, was es über das Gesetz zu wissen gibt. Stattdessen müssen wir mit allerlei Meinungsstreits, Auslegungen und Argumenten vertraut sein, die sich nirgendwo in der Gesetzessammlung finden. Die stehen dann im Kommentar. Dort werden die einzelnen Paragrafen und Artikel eines Gesetzes erläutert oder eben kommentiert. Die Gesetzeskommentare sind absolut unerlässlich für Studium und Beruf. Benannt werden sie fast immer nach den Herausgeberinnen und Herausgebern. Auch wenn diese Nazis waren.

          Allerdings gibt es in neuerer Zeit immer mehr Stimmen, die für eine Umbenennung der fraglichen Kommentare plädieren. Seit 2017 versucht die Initiative „Palandt umbenennen!“ genau das zu erreichen. Ein Anliegen, das auch bei Studierenden auf viel Zustimmung trifft. So kommt Unterstützung für eine von der Initiative gestartete Petition mehrheitlich aus den Reihen der Studierendenschaft. Auch in meinem Umfeld haben viele unterzeichnet. Es ist wohl leichter von traditionsreichen Namen abzulassen, wenn man sie gerade erst kennenlernt.

          Der Beck-Verlag, der den Palandt verlegt, verweigert sich aber einer Umbenennung. Gegenüber dem Deutschlandfunk argumentierte der Verlag, der Palandt werde heute weniger mit seinem Namensgeber verbunden, sondern sei zu einer Marke geworden, die für hohe Qualität stehe. Außerdem wurde dem Bearbeiterverzeichnis ein Hinweis auf die NS-Biografie Palandts hinzugefügt. Der Name soll jetzt als publizistischer „Stolperstein“ fungieren.

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