Türkei: Brot, Käse, Miete und Konzerte – alles ist teuer
Anfang Dezember hat Eylem Deniz sich noch einmal einen Konzertbesuch gegönnt. Das kommt in letzter Zeit eher selten vor. So wie sie seltener mit Freunden einen Kaffee trinken geht oder sich zum Shoppen verabredet, wie es noch vor zwei, drei Jahren die Regel war. Denn die 24 Jahre alte Germanistikstudentin in der Millionenmetropole Mersin weit im Osten der türkischen Mittelmeerküste muss sehr genau abwägen, wofür sie ihr Geld ausgibt. 140 Lira hat das Konzert mit Studentenrabatt gekostet, umgerechnet 7 Euro. Das klingt wenig, ist aber fast so viel, wie Eylem an einem Tag als Kellnerin verdient. Und arbeiten muss sie jeden Tag, nachdem die Kurse an der Uni vorbei sind. Studiengebühren verlangt die staatliche Uni nicht. Dennoch reicht das Geld kaum aus. Die amtliche Inflationsrate liegt im Jahresvergleich bei 85 Prozent, die für Lebensmittel und Wohnen noch darüber. Eylem spürt das. „Als ich vor 5 Jahren nach Mersin kam, kostete das Zimmer 500 Lira im Monat, jetzt zahle ich 2500 Lira.“ Das sind umgerechnet 125 Euro, die Hälfte ihres Monatsbudgets. Beim Gang über den Markt erschrickt sie oft: „Vor der Pandemie konnte man mit 100 Lira vieles kaufen. Aber jetzt sind 100 Lira nichts mehr wert. Dafür bekommt man nur noch Brot und Käse fürs Frühstück.“ Ihr Familie im zehn Autostunden entfernten Izmir könne sie finanziell nicht unterstützen. Die staatliche Studienbeihilfe von 700 Lira im Monat wurde gestrichen, weil sie die Regelstudienzeit überschritten hat. Eylem will nächstes Jahr ihr Studium beenden und hofft, dann erstmals Deutschland besuchen zu können. Auf Dauer ins Ausland gehen und der Heimat den Rücken zukehren, wie viele ihre Kommilitonen, will sie nicht. Ihr Ziel ist es, einmal als Deutschlehrerin in der Türkei zu arbeiten. Bis dahin hofft sie auf Verbesserungen im Land – nicht nur in Sachen Inflation.
Andreas Mihm
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