Digitalisierung : Studium 4.0: Schafft die Uni sich ab?
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Schafft die Uni sich ab? Die Digitalisierung wird das Studium grundlegend verändern. Bild: Eva Revolver/Sepia
Studieren heißt mittlerweile, ständig im Internet zu sein. Braucht es da überhaupt noch Unis? Die Antwort: ja. Aber die Digitalisierung verändert alles.
IT-Experten vieler deutscher Unternehmen blicken neidisch auf etwas, das an Universitäten längst alltäglich ist: Educational Roaming, bekannt unter der Abkürzung eduroam. Der Dienst gewährt Studenten und Uni-Mitarbeitern per
W-Lan freien Zugang zum Internet in akademischen Einrichtungen – egal ob in Europa, Amerika oder in weiten Teilen Asiens. Studenten im Auslandssemester in Spanien oder Doktoranden bei einem Gastvortrag in Australien nutzen schon seit Jahren ganz unkompliziert die Verbindungsdaten ihrer deutschen Heimatuniversität, verwenden sogar ihre eigenen Geräte, um sich im Internet der jeweiligen Gastinstitution einzuloggen. Unternehmen hingegen tun sich noch viel schwerer, ihren Mitarbeitern das Nutzen von Privatgeräten während der Arbeit zu erlauben. Das eduroam für Konzerne läuft unter dem Schlagwort: „Bring your own Device“ – steckt allerdings oftmals noch in den Kinderschuhen.
Was den freien Zugang zum Internet angeht, die Grundvoraussetzung der Digitalisierung, sind Universitäten also ganz weit vorn. Sie haben über die vergangenen Jahre viele analoge Zöpfe abgeschnitten und durch Digitales ersetzt: Abiturienten bewerben sich im Netz für Studiengänge, Studenten organisieren ihre Referatsgruppen per Facebook. Statt Bücher auszuleihen, laden sie wissenschaftliche Aufsätze aus dem Internet herunter – im PDF-Format. Die Digitalisierung hat Universitäten fest im Griff. Doch was bedeutet das für Studenten? Sitzen sie bald nur noch zu Hause, schauen sich ihre Kurse am Bildschirm an? Schafft die Uni sich ab? Experten sagen: Nein, aber das Lernen verändert sich. „Bei Organisation und Verwaltung haben sich digitale Lösungen bereits besonders stark durchgesetzt“, erklärt Michael Kerres, Professor für Mediendidaktik und Wissensmanagement an der Universität Duisburg-Essen. „In der Lehre spürt man ebenfalls eine Veränderung – auch wenn diese deutlich langsamer kommt als ursprünglich erwartet.“
So ging der jüngste Hype der Massive Open Online Courses (MOOCs) weitgehend an der Alma Mater vorbei. Die Videoveranstaltungen, bei denen Zigtausende Menschen im Internet Kurse belegen, Lehrvideos von Koryphäen anschauen und sich gegenseitig in Internetforen auf die Sprünge helfen, galten lange als revolutionär, sogar als Bedrohung für etablierte Bildungseinrichtungen. Schließlich sollten sie Menschen ermöglichen, kostenlos zu lernen, was sie wollen – überall und jederzeit.
So weit kam es allerdings nicht: Rief die „New York Times“ für 2012 noch das Jahr des MOOC aus, sind die MOOC-Macher inzwischen bescheidener unterwegs. Sie sehen sich nicht mehr als Uni-Ersatz, sondern bestenfalls als Ergänzung zum akademischen Betrieb: „Unsere Zielgruppe sind Arbeitnehmer, die keine Zeit für traditionelle Formen der Aus- und Weiterbildung haben“, sagte Daphne Koller, Mitgründerin der weltweit größten MOOC-Plattform Coursera, Anfang des Jahres in einem Gespräch an der Wharton-Universität in Pennsylvania.
Die Grundpfeiler der akademischen Wissensvermittlung bleiben ohnehin Vorlesung und Seminar, Multiple-Choice-Test und Abschlussarbeit. Trotz Digitalisierung. Auch MOOCs bedienen sich genau dieser Methoden. Für Mediendidaktiker bieten MOOCs also nichts wirklich Neues, bestätigt Experte Kerres. Was die Digitalisierung allerdings verändert, sind die Mittel, mit denen Studenten lernen. Ingenieuranwärter etwa werden es in Zukunft leichter haben, mathematische Grundlagen zu pauken, prophezeit Klaus Mainzer, Professor für Philosophie und Wissenschaftstheorie an der Technischen Universität München. Mainzer beschäftigt sich seit Jahrzehnten damit, wie die Digitalisierung das Lernen beeinflusst. Seit zwei Jahren sitzt er in einer Bewertungskommission des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zum Thema „Erfahrbares Lernen“.
Besonders das in den Ingenieurwissenschaften trockene Grundstudium kann laut Mainzer mittels neuer, digitaler Methoden deutlich aufgepeppt werden. Etwa mit einer visuellen Lernunterstützung für Maschinenbauer. Sie ermöglicht es Studenten, eine zweidimensionale Zeichnung in ein 3D-Modell zu verwandeln. „Mit einem 3D-Drucker kann man das Modell dann ausdrucken“, erklärt Mainzer. Auch in der Elektrotechnik sollen visuelle Eindrücke Studenten helfen, zu verstehen, wie die Mathematik die reale Welt beschreibt: „Statt nur eine abstrakte Differentialgleichung zu zeigen, können Computerprogramme die Formel direkt in eine passende Schaltung umwandeln“, schwärmt Mainzer. Der unsichtbare Fluss des Stroms werde sichtbar, Zusammenhänge für Studenten würden klarer. Das BMBF-Programm läuft noch, deshalb gibt ein Sprecher auf Anfrage keine Informationen über konkrete Projekte preis.