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Programmieren für Frauen : Her mit den Codes!

  • -Aktualisiert am

Berührungsängste mit Technik kann man sich abtrainieren. Bild: Hacker School

Jeder sollte etwas vom Programmieren verstehen, sagt KI-Expertin Ait Si Abbou von der Girls Hacker School. Unsere Autorin hat sich dort zum Selbstversuch angemeldet.

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          „Datenjournalismus ist die Zukunft!“ Seit ich journalistisch arbeite, höre ich das. Es leuchtet auch ein: Komplexe Statistiken auswerten, übersichtliche Visualisierungen – dafür helfen Grundlagen im Programmieren. Leider stand Programmieren oder neudeutsch „Coden“ weder im Studium noch auf der Journalistenschule auf dem Stundenplan. Ich muss das also anders lernen – und meine Wahl fällt auf die Girls Hacker School. In nur acht Stunden, verteilt auf zwei Tage am Wochenende, soll es möglich sein, die Grundlagen der Programmiersprache Python zu lernen. Ich bin zwar skeptisch, aber motiviert, als es an einem Samstagnachmittag losgeht.

          Wir werden in Zweierteams eingeteilt. Meine Partnerin hat im Studium zumindest Informatik-Grundlagen gehabt und mir damit einiges voraus, denn ich kann nur auf Schulmathe und Statistikeinführung im Bachelor aufbauen. Die meisten Angebote der Hacker School richten sich an Kinder und Jugendliche. Normalerweise finden sie in mehr als 40 Städten vor Ort statt, zurzeit aber online. Das Ziel: Jedes Kind soll vor der Berufswahl schon mal programmiert haben. „Würde es flächendeckend guten Informatikunterricht geben, brauchte es die Hacker School nicht“, sagt Geschäftsführerin Julia Freudenberg. In Formaten wie an diesem Wochenende sollen auch Erwachsene lernen, wie man programmiert. Schon geht es los.

          Während wir uns über Zoom unterhalten, sollen wir auf einer kollaborativen Oberfläche mit Hilfe verschiedener Befehle eine Schildkröte zum Laufen bringen. Klingt einfach – die Befehle sind vorgegeben, das meiste ist „copy & paste“, und die Schildkröte läuft fröhlich über den Bildschirm. Als Nächstes soll unsere Schildkröte einen Baum malen – hier muss man schon etwas weiterdenken und sogar ein bisschen rechnen.

          Jeder soll die Logik hinter Programmieren verstehen

          Kenza Ait Si Abbou, Managerin für Robotik und Künstliche Intelligenz bei der Telekom sowie Autorin des Buchs „Keine Panik, ist nur Technik“, hat die Einführung in den Workshop gehalten. Sie will die Angst vor technischen Prozessen nehmen und sagt, dass alle Menschen zumindest die Grundlagen von Künstlicher Intelligenz verstehen sollten: „Automatisierung spielt in allen Bereichen eine Rolle. Alle Menschen sollten deshalb die Grundlagen verstehen, damit sie von Nutzern zu Gestaltern werden.“ Das bedeute nicht, dass jeder programmieren können muss, aber sehr wohl, dass jeder die Logik dahinter versteht. Nur Aufklärung könne verhindern, dass Menschen zu Opfern von Automatisierungsprozessen würden. Außerdem würden Programmiersprachen immer einfacher und zugänglicher.

          Am Anfang des Workshops hatte ein Mädchen gefragt, ob man sich mit Mathe auskennen müsse. Nicht unbedingt, war die Antwort von Ait Si Abbou. Mathematik und Programmieren hätten nicht unbedingt etwas miteinander zu tun, aber als Basis für logisches Denken sei Mathe trotzdem wichtig. Klingt wie eine gutgemeinte Untertreibung: Denn schon für diesen spielerischen Zugang braucht man räumliche Vorstellungskraft, Verständnis von geometrischen Formen und Koordinatensystemen.

          Als Nächstes ist ein Mandala dran, und das wird mathematisch schon anspruchsvoller: Was ist noch mal die Winkelsumme eines Dreiecks? Eigentlich habe ich im Matheunterricht gut aufgepasst, aber was unser Code malt, ist eher ein seltsames Trapez als ein gleichschenkliges Dreieck. Das war nicht das Ziel, aber es sieht hübsch aus. Zum Glück gibt es keine Vorgaben, mit welchen geometrischen Formen wir unser Mandala gestalten sollen. Am Samstagabend haben wir zwar ein einigermaßen komplexes Mandala programmiert, aber der tiefere Sinn des Ganzen ist erst mal schleierhaft. Spielerischer Einstieg, schön und gut, aber was hat diese Kindergartenzeichnung mit Künstlicher Intelligenz zu tun?

          Jungs aus bildungsnahen Elternhäusern

          Die Girls Hacker School ist ein Format nur für Mädchen und Frauen von elf bis 99 Jahren. „Wir haben uns dafür entschieden, weil die anderen Angebote zwar auch sehr gut angenommen wurden, aber dort zu 80 Prozent Jungs aus bildungsnahen Elternhäusern sitzen“, erzählt Freudenberg. Das Format soll Mütter ermutigen, sich mit ihren Töchtern anzumelden und Berührungsängste abbauen.

          Im geschützten Raum sollen sie erfahren, dass sie genauso gut programmieren können wie Männer. Dass sich immer noch deutlich weniger Mädchen für Technik interessieren, liegt aus Sicht der KI-Expertin Ait Si Abbou an sozialen Faktoren. Mädchen hörten viel zu oft, dass technische Berufe nichts für sie seien. Freudenberg formuliert es drastischer: „Die Zeit, in der der Besitz von Eierstöcken eine Entschuldigung dafür ist, sich nicht mit Mathe oder Technik zu beschäftigen, ist abgelaufen.“

          Näher heran an Künstliche Intelligenz komme ich dann am zweiten Workshop-Tag. Nach ein wenig Einführung sollen wir einen Chatbot bauen. Ob meine rudimentären Kenntnisse das hergeben? Bei den anderen Teilnehmerinnen funktioniert es jedenfalls. Die elf Jahre alte Lucie fasziniert vor allem die Schmeichelmaschine – ein Bot, der immer neue Komplimente generiert. Ihr hat der Workshop sichtlich Spaß gemacht. Zusammen mit ihrer Mutter Melanie, die in der IT der Lufthansa arbeitet, hat Lucie teilgenommen. Über den Workshop hinweg konnte man beobachten, wie sie immer mehr aufgetaut ist. Auch Melanie ist begeistert. „In der Uni hat man weniger gelernt“, sagt sie. „Da gab es nicht diese Hands-on-Mentalität, bei der man alles direkt ausprobieren konnte.“

          Zugegeben, der Sonntag besteht schon aus deutlich mehr gescheiterten Programmierversuchen, mehrmals kommen wir nicht weiter und müssen um Hilfe bitte. Aber am Ende des Tages haben wir einen Chatbot entwickelt, der aus verschiedenen Faktoren ein Ranking erstellt und die aktuelle Stimmung misst: Ich bin begeistert. Mir ist klar, dass ich noch sehr viel länger üben müsste, um auch irgendwelche Datenanalysen für journalistische Recherchen durchführen zu können. Aber das Ziel, die Angst vor der großen und komplexen Welt des Programmierens zu nehmen, hat dieses Wochenende jedenfalls erreicht.

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