
Kolumne „Nine To Five“ : : Und, wie fandet ihr mich?
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Die Finalistinnen von „Germanys Next Topmodel“ 2016 Bild: obs
Das Leben ist zum Dauercontest geworden und vielerorts sind Bewertungen von Fachleuten oder Fachfremden gefragt. Doch Sinn machen sie bisweilen kaum.
Alle reden mit, und alle erlauben sich ein Urteil. Manchmal geht es gut, manchmal geht es in die Hose, wenn Fachfremde als Laien-Juroren auftrumpfen. Ihre Meinung ist uns wichtig, lockt der Bäcker und will wissen, ob die Mohnschnecken munden. Tun sie! Gibt einen Haken ins Kästchen und ein Lächeln. Im Möbelhaus umwuselt die junge Verkäuferin auffallend unsouverän das unentschlossene Pärchen.
Nach ausführlicher Beratung und ermüdenden Sitzproben von Sofa zu Sofa – das Ganze erinnert an eine Sitcom, nur ohne eingespielte Lacher – verdrücken sich die zögerlichen Kunden und murmeln etwas, das sich wie „wir melden uns“ anhört und nach Nimmerwiedersehen anfühlt.
Die Verkäuferin ist enttäuscht und erbettelt eine Rückmeldung: Könnten Sie noch den Bogen ausfüllen, ob Sie mit meiner Beratung zufrieden sind? – „Nö... keine Zeit.“ Das Pärchen hastet zum Ausgang. Zum Glück erbarmt sich ein Rentnerpaar: „Geben Sie mal her, junge Frau. Wie kann ich Ihnen helfen?“ Der ältere Herr scheint etwas Nettes hinzukritzeln. Ob er konkret etwas über eine Sitzmöbelberatung notiert oder nicht, entzieht sich unserer Kenntnis. Die Aussagekraft solcher Randnotizen bewegt sich gegen null. Aber die Nachwuchskraft schöpft wieder neuen Mut. Wie kalauerte der Mathematiker: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
Das Leben ist zum Dauercontest geworden. Gequizzt wird auf allen Kanälen, und benotet wird jeder Auftritt. Bildhübsche, fohlenbeinige Mädchen staksen Laufstege rauf und lassen sich runterputzen, nur wenige werden durchgewinkt. Den Aussortierten mangele es an „Pössenality“. Schon kess, zu meinen, die Persönlichkeit lasse sich bewerten, wäre mal interessant zu erfahren, welcher knallharte Kriterienkatalog dafür Grundlage ist.
Während die Sache mit der Schönheit noch verkraftbar scheint, geht es bei der Gesundheit härter zu. Ärzte müssen ein dickes Fell haben und Hornhaut auf der Seele, wenn manch hoch emotionalisierter Patient sich berufen fühlt, sein Votum abzugeben, basierend auf der Formel: Bin ich geheilt, hat sich der Arzt/die Ärztin viel Zeit genommen, dann ist das eine Superpraxis. Prompt regnet es Bonuspunkte. Wenn nicht, o weh!
In der Kolumne „Nine to five“ schreiben wechselnde Autoren einmal in der Woche über die Kuriositäten des Arbeits- und Hochschullebens.

Redakteurin in der Wirtschaft, zuständig für „Jugend schreibt“.
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