
Kolumne „Nine to Five“ : Unklare Ansage
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Jetzt muss eine Entscheidung her: Den Mitarbeitern das Homeoffice anbieten oder führt ein Weg daran vorbei? Bild: Picture-Alliance
Die Empfehlungen zur Ansteckungsvermeidung sind klar: Abstand halten, Kontakt vermeiden, zu Hause bleiben. Herr D. tut sich trotzdem schwer, seine Mitarbeiter ins Homeoffice zu entlassen. Die Kolumne „Nine to five“.
Herr D. ist Geschäftsführer in einem mittelständischen Unternehmen, und ihm gehen die Dinge dieser Tage zu schnell, viel zu schnell. Die ganze Sache mit der digitalen Transformation ist eigentlich noch nie sein Ding gewesen, alles, was unter „New Work“ läuft, schon gar nicht. Er hält nichts von Schaukeln und Kickertischen im Büro, nichts von Desk-Sharing, Remote-Working und sonstigem neumodischen Quatsch. Er hat seine Leute gern von 9 bis 5 um sich im Büro, schaut ihnen gern auf die Finger und schart sie gern in Konferenzen um sich, weil er sich selbst auch ganz gern reden hört.
An diesem Montag kann er nicht reden und niemanden um sich scharen, denn große Teile seiner Belegschaft sind gar nicht erst gekommen. Seit das Coronavirus wütet, sind immer weniger Angestellte im Büro. Aus Rücksichtnahme und Vorbeugung ist es nun an ihm, auch dem wackeren Rest eine definitive Ansage zu machen – per E-Mail, damit es auch alle erreicht. D. hat sich die Nacht um die Ohren geschlagen, so tief ist seine Sorge, wie die Geschäfte wohl ohne Anwesende im Büro weitergehen sollen. Beim Schreiben der besagten E-Mail ist er müde und gleichzeitig, ob der verwirrenden Gesamtlage, hochgradig nervös.
Auf anderthalb Din-A4-Seiten schwafelt D. deshalb Schachtelsatz für Schachtelsatz davon, dass die Belegschaft die „dringende Empfehlung, nicht etwa aber die Anweisung“ habe, fortan im Homeoffice zu arbeiten. Letztere dürfe er nur im Falle einer Ausgangssperre erteilen, jedenfalls dann, wenn kein bestätigter Infektionsverdacht vorliege. Natürlich gebe es Ausnahmen, nicht die komplette Belegschaft sei zwingend von der Empfehlung betroffen, bestimmte, noch zu definierende kritische Personen könnten gegebenenfalls – nach Absprache mit der Personalabteilung – von der Empfehlung ausgenommen werden.
„Weißt du, ob du morgen kommen sollst oder nicht?“, fragt Kollegin R. ratlos ihre Büronachbarin nach Erhalt der E-Mail. „Keine Ahnung“, antwortet die, sie habe schon den Büronachbarn von gegenüber gefragt, und der wisse es auch nicht. Es dauert etwa eine halbe Stunde, bis abermals eine E-Mail bei allen eintrudelt, diesmal von der Chefsekretärin. Sie ist kurz und knapp und liest sich so: „Um klarzustellen, was der Chef gerade gemeint hat: Bitte, bitte, bleibt von morgen an alle zu Hause.“
In der Kolumne „Nine to five“ schreiben wechselnde Autoren einmal in der Woche über die Kuriositäten des Arbeits- und Hochschullebens.