Immunisiert durch Skepsis
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Oberlicht in der Eingangshalle der Ludwig-Maximilian-Universität München Bild: imageBROKER/Manfred Bail
Wird die Wissenschaft von Politik und Moral vereinnahmt? Es spricht einiges dafür, dass ihre eigenen Werte sie davor schützen. Ein Gastbeitrag.
Die europäische Wissenschaft und die Universität kannten seit der Entstehung der Universitäten eine Tradition akademischer Freiheiten. Diese Freiheiten waren Freiheiten der Lehrenden und Studierenden. Sie waren in einer geschichteten Gesellschaft Sonderrechte ständischer Gruppierungen und unterschieden sich darin von der Wissenschaftsfreiheit und Hochschulfreiheit der Moderne, bei denen es sich nicht mehr um ständische Sonderrechte handelt, vielmehr um Kommunikationsfreiheiten in globalen Funktionssystemen der Moderne. Außerdem unterscheidet sich die Situation des 19. bis 21. Jahrhunderts dadurch von der Vormoderne, dass sich der Begriff der akademischen Freiheit, der auf der Ununterscheidbarkeit von Wissenschaft und Universität beruhte, auflöst. Viel deutlicher tritt die Differenz von Wissenschaft und Hochschulerziehung hervor, die die Wissenschaftsfreiheit und die Freiheit der Universität voneinander zu trennen erlaubt.
Das Grundgesetz formuliert diese Lage erstaunlich präzise: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung“ (Art. 5, III). Hier werden zunächst zwei Funktionssysteme der Gesellschaft bezeichnet: Kunst und Wissenschaft. Es folgt mit „Forschung“ ein Begriff, der Wissenschaft und Universität und andere Orte der Forschung übergreift. Aber er wird zusammen mit „Lehre“ genannt, was man so verstehen kann, dass die seit dem neunzehnten Jahrhundert selbstverständlich gewordenen Kerntätigkeiten des Universitätslehrers geschützt werden. Es folgt eine Einschränkung, die spezifisch den Hochschullehrer, nicht unbedingt den Wissenschaftler betrifft: Er ist zur Treue zur Verfassung verpflichtet.
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