Jutta Ditfurth : Immer dagegen – und ganz auf Linie
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Kampf und Revolte: Unter früheren Parteifreunden gilt Jutta Ditfurth als unverbesserlich. Bild: Setzer, Claus
Die Linksradikalen von früher wurden Minister, Jutta Ditfurth nicht. Sie war die erste Grüne im Land – und wettert nun gegen die Ökos.
Es ist 14 Uhr, Jutta Ditfurth bestellt Eier im Glas, salzt und verrührt sie und erklärt, sie habe noch nicht gefrühstückt, da sie am Vorabend „versumpft“ sei. Sie isst das Ei und entfaltet einen großen roten Fächer, mit dem sie ihrer Stirn Luft zuführt. „Klimakterische Wallungen“, sagt sie zur Begründung. Das Café in der Brückenstraße im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen kannte sie noch nicht und staunt darüber, denn sie ist schon sehr lange in Frankfurt, fast ein ganzes Leben.
Das begann mit vielen Umzügen als Kind einer zunächst verarmten protestantischen Adelsfamilie: von Würzburg über den Odenwald nach Heidelberg. Da tobte dann später die Studentenrevolte, und mittendrin Jutta von Ditfurth, wie sie damals noch hieß. Sie hatte das saturierte Verbindungsmilieu verlassen und neue, aufregendere Freunde gefunden. Ihre politischen Freunde wechselte sie seitdem häufiger.
Linksradikal ist sie bis heute
In den achtziger Jahren gründete sie mit anderen die Partei „Die Grünen“ und war einige Jahre deren Bundesvorsitzende. Doch als ihr die Grünen zu bürgerlich wurden, in die Parlamente einzogen und Männer wie Joschka Fischer an ihr vorbeizogen, trat sie aus.
Ihre politischen Freunde von heute scheinen die jungen Linksradikalen von der Straße zu sein. Der Staat ist denen wie ihr verhasst. Bevor gewaltbereite Linke aus ganz Europa, Randalierer und Steinewerfer vor wenigen Wochen die Frankfurter Innenstadt rund um die Europäische Zentralbank verwüsteten und einen Polizisten schwer verletzten, sprach Ditfurth am Hauptbahnhof als Grande Dame der Bewegung.
Sie stand auf einer Bühne, Autonome gröhlten, sie las vom Blatt ab: „Wir scheißen auf den Nationalstaat und wollen, dass alle Menschen frei und sozial gleich leben.“ Später flogen die Scheiben unzähliger Geschäfte in der Innenstadt ein. Die Angriffe könnten sie „in Anbetracht der immer brutaler werdenden sozialen Bedingungen nachvollziehen“, rechtfertigten die Organisatoren die Aktionen. Auch Jutta Ditfurth verschickte dieses Statement.
Sie gab die kompromisslose Marxistin, ihr Vater fand sie überheblich
Ihr Lebenslauf enthält Wendungen, Verweigerungen, Überraschungen. Ditfurth tritt als Gegenbild zum Konformismus und Karrierismus auf. Eine Schleimspur hat sie nicht hinterlassen. Doch sie fühlt sich auch wohl, wenn ihr eine Masse von Gleichgesinnten zujubelt. Mit Anfang 60 wittert sie neue Frühlingsluft. Zuletzt hatte sie Romane geschrieben, ihr neuestes Buch ist eine politische Kampfschrift.
Im Gespräch aber ist sie eine offene, warmherzige und gebildete Frau. Jetzt also ihre zweite Jugend: Rückkehr zu Kampf und Revolte. Sie sagt: „Wenn ich am Ende dem Kapitalismus möglichst viel geschadet habe, bin ich zufrieden mit meinem Leben.“ Ihre erste Jugend: Nach dem Abitur war sie noch nicht volljährig, die Eltern parkten sie im katholischen Internat – aber Jutta Ditfurth provozierte die Nonnen mit Lobpreisungen der Abtreibung und riss aus. Treffen des Adelsverbandes boykottierte sie.
Ditfurth stritt mit ihrem Vater Hoimar, der als Wissenschaftsjournalist berühmt wurde, über Politik. Seine Rolle war die des ausgleichenden, humanistisch gebildeten Sozialdemokraten, sie gab die kompromisslose Marxistin. Jutta, sagte er ihr mal, so ein Idealismus kann schnell gefährlich werden. Er fand sie überheblich.
Sie überwarf sich mit den grün-bürgerlichen Karrieristen
In Frankfurt dann, nach dem Studium, gründete sie mit Verbündeten der „antiautoritären“ Linken die Grünen und kämpfte als Bundesvorsitzende gegen die „Atomlobby“, Chemiefabriken, die Startbahn West des Flughafens. Weiß geschminkt zog Ditfurth in den Stadtrat ein. Alle Jahre wieder bekam sie wegen Ordnungswidrigkeiten Ärger mit Polizisten oder Fahrkartenkontrolleuren. Als die Grünen später erstmals ins hessische Parlament einzogen, überwarf sie sich mit den in ihren Augen grün-bürgerlichen Karrieristen und trat 1991 aus.
Jutta Ditfurth war nie kompromissbereit, ob aus Überzeugung oder Starrsinn. Sonst hätte sie Karriere machen können bei den Grünen, wie die alten Frankfurter Joschka Fischer oder Daniel Cohn-Bendit. Aber sie ließ sich von den Männern überholen. Ihren früheren Parteifreunden galt sie bald als unverbesserlich und ewiggestrig. Sie ist stolz auf ihre Prinzipientreue, aber ihre Bücher haben auch etwas Selbstgefälliges. Es gibt nicht nur die Arroganz der Macht, die Jutta Ditfurth von ihren alten Freunden in Form von Spott und Abwertungen erfuhr, sondern auch eine Arroganz der Ohnmacht – was das ist, dafür sind manche von Ditfurths Büchern Musterbeispiele.