Kolumne „Mein Urteil“ : Reichen IT-Tests zur Persönlichkeit für Kündigungen?
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Wenn der Computer die Persönlichkeit beurteilt, muss der Arbeitgeber jedenfalls nachvollziehen können, was dabei ungefähr passiert. Bild: dpa
Weil einer Flugbegleiterin in einem computergestützten Persönlichkeitstest das Potential zur Radikalisierung bescheinigt wurde, verlor sie ihre Stelle. Zu Unrecht? Die Kolumne „Mein Urteil“.
Computergestützte Personalauswahlverfahren sind inzwischen bei vielen Unternehmen im Einsatz. Sie ermitteln die Persönlichkeit von Stellenbewerbern und können herausfinden, ob ein Bewerber bereit und in der Lage ist, die von seinem künftigen Arbeitgeber gewünschten Leistungen zu erbringen. Hat ein Bewerber jedoch die Einstellungshürde überwunden, kann der Einsatz digitaler Hilfsmittel Arbeitgebern als Grundlage für Personalentscheidung allerdings auf die Füße fallen.
Das zeigt ein jüngeres Urteil des LAG Hessen (v. 25.02.2021 - 12 Sa 1435/19), in dem es um die Wirksamkeit der Kündigung einer Flugbegleiterin ging. Die beklagte Fluggesellschaft hatte das Arbeitsverhältnis einer Flugbegleiterin gekündigt, nachdem diese durch ein IT-gestütztes Testverfahren gefallen war. Der Test diente dazu, herauszufinden, ob bei einem Mitarbeiter die Gefahr eines sogenannten Innentäters bestehe.
Er enthielt ca. 200 Fragen zur Selbsteinschätzung, die automatisiert ausgewertet wurden. Der Test attestierte der Flugbegleiterin das Potential zur Radikalisierung. Aus Sicht der Fluggesellschaft war sie damit ein Sicherheitsrisiko. Die Fluggesellschaft kündigte personenbedingt.
Zu Unrecht, wie das LAG feststellte. Denn sie war im Laufe des Verfahrens nicht in der Lage zu erklären, wie das IT-gestützte Testverfahren zu diesem Ergebnis gekommen war. Damit war eine eigenständige Überprüfung der Persönlichkeitsbeurteilung der Flugbegleiterin durch das Gericht nicht möglich. Für die Anwendung von KI und anderen digitalen Hilfsmitteln in der Arbeitswelt bedeutet dies: Arbeitgeber müssen die auf IT-/KI-Basis getroffenen Personalentscheidungen zumindest selbst nachvollziehen können. Ansonsten laufen sie Gefahr, einen darauf gestützten Rechtsstreit zu verlieren.
Doris-Maria Schuster ist Partnerin, Sven Ole Klingler wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kanzlei Gleiss Lutz in Hamburg.