Kolumne „Mein Urteil“ : Darf der Chef illegal gedrehte Videos verwenden?
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Illegale Videoaufnahmen sind zuweilen nichts wert. Bild: ZB
Hat die Arbeitnehmerin Geld aus dem Tresor geklaut? Genau das wollte ihr Arbeitgeber mit einem Video beweisen. Was er nicht bedacht hatte: Das Video war vor Gericht nichts wert.
Das Arbeitsgericht Frankfurt hatte unlängst darüber zu entscheiden, ob eine Kündigung einer Arbeitnehmerin zulässig ist. Der Arbeitgeber warf ihr vor, 500 Euro aus einem Tresor entwendet zu haben. Den Beweis dafür wollte er mit einer Videoaufnahme liefern. Im Prozessverlauf stellte sich dann heraus, dass der Arbeitsplatz ohne Wissen der Arbeitnehmer rund um die Uhr durch Videoaufzeichnungen überwacht wurde (6 Ca 4195/15).
Unverhältnismäßig war in diesem Fall bereits die präventive, heimliche Dauerüberwachung des Arbeitsplatzes. So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) vor Jahren eine Videoüberwachung ohne konkreten Anlass von 50 Stunden pro Woche wegen des ständigen Überwachungsdrucks für die Arbeitnehmer als unzulässig erklärt (1 ABR 21/03). Für ein solches Handeln des Arbeitgebers bestehe keine gesetzliche Grundlage, hieß es damals.
Keine milderen Mittel eingesetzt
Vielmehr wird vom Gesetzgeber verlangt, dass Daten nur insoweit erhoben, verarbeitet oder genutzt werden dürfen, wie das zur Aufdeckung einer Straftat im Arbeitsumfeld erforderlich ist. Zwingend zu beachten ist dabei, ob die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers dem nicht entgegenstehen und ob die Datennutzung nicht unverhältnismäßig erfolgt ist.
Problematisch ist jedoch, wenn der Arbeitgeber sich an solche Grundsätze nicht hält. Das BAG geht grundsätzlich davon aus, dass selbst für rechtswidrig erlangte Informationen und Beweismittel in einem Arbeitsgerichtsprozess kein Beweisverwertungs- und damit auch kein Beweiserhebungsverbot existiert. Vielmehr ist jedem angebotenen Beweismittel nachzugehen. Dennoch lehnte es das Arbeitsgericht Frankfurt jüngst ab, die vorgelegte Videoaufzeichnung in Augenschein zu nehmen. Denn der Arbeitgeber hatte nicht erläutern können, welchen Anlass er zur Überwachung der Arbeitnehmerin hatte, und es auch versäumt, andere, mildere Mittel zur Sicherung seines Bargeldbestandes einzusetzen, also etwa die Öffnung des Tresors nur im Vier-Augen-Prinzip zuzulassen. Nicht erkennbar war, ob die Videoüberwachung die einzige Möglichkeit war, eine Straftat aufzuklären.
Der Grundsatz der Datensparsamkeit wurde außerdem missachtet. Er verlangt, dass nur so viel Daten genutzt werden, wie zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks erforderlich sind. Sämtliche Aufzeichnungen wurden im konkreten Fall mehr als zwei Wochen gespeichert und erst dann durch den Arbeitgeber ausgewertet. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin war auch angesichts der anlasslosen, heimlichen Videoüberwachung als zu schwerwiegend und unverhältnismäßig zu bewerten. Die Arbeitnehmerin gewann den Prozess und hat sich das Recht auf Weiterbeschäftigung erstritten.