Kolumne „Nine to five“ : Süße Träume im Büro
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Nicht verzagen: Viele Pendler werden entlastet durchs Homeoffice. Bild: dpa
Das Homeoffice treibt Blüten: Wochenend-Pendler brauchen nun keine Bleibe mehr am Arbeitsort. Naja – fast. Bei Anwesenheitspflicht einmal in der Woche lässt sich ja auch unterm Schreibtisch nächtigen.
Die Homeoffice-Lotterie der vergangenen 18 Pandemie-Monate zehrt an den Nerven eines Beamten im höheren Dienst. Seine Arbeitsstelle liegt in einer Kleinstadt gut 200 Kilometer entfernt von seinem Wohnort. Seit fünf Jahren ist er Wochenendpendler und hangelt sich am Arbeitsort von einem Zwischenmietverhältnis zum anderen. Was mal als Übergangslösung gedacht war, hat sich mittlerweile zum Dauerzustand entwickelt: Vorgesetzte und Kollegen haben ihn zu schätzen gelernt, Versetzungsgesuche bei seinem Dienstherren laufen immer wieder ins Leere – zumal es auch aus den nachfolgenden Ausbildungsjahrgängen wenige in die Provinz zieht.
Da trifft es sich gut, dass diverse Corona-Schutzmaßnahmen selbst seinen in Sachen Homeoffice bislang skeptischen Arbeitgeber dazu nötigen, seine Beschäftigten zu Hause arbeiten zu lassen – künftig allgemein bis zu 80 Prozent ihrer Zeit. Allerdings führt das zu einem chronisch leer stehenden Zimmer in der aktuellen Berufstätigen-WG des Pendlers, weshalb er sich keine neue Bleibe am Arbeitsort sucht, als das laufende Mietverhältnis endet. Bei 20 Prozent Anwesenheitspflicht ist aber trotzdem noch eine Übernachtung pro Woche notwendig. Beim Blick auf die Preise der Herbergen vor Ort beschließt der bayrische Beamte mit schwäbischem Migrationshintergrund, seine Vorliebe fürs Camping zu nutzen, um Geld zu sparen. Schließlich weiß er von einem Münchner Kollegen, der jahrelang unentdeckt auf einer Luftmatratze im Büro nächtigte, wenn es spät wurde und er nicht mehr heim nach Garmisch fahren wollte.
So wartet der Büroschläfer, bis es ruhig wird in den anderen Dienstzimmern. Nach einer Dusche im Keller, wo es ein Bad für Radpendler gibt, entrollt er Isomatte und Schlafsack und schlummert selig. Schöner Nebeneffekt des Büroschlafs sind Träume von Karrieresprüngen: Am Abend ist er nun schließlich der Letzte und am Morgen der Erste am Platz.