Kolumne „Nine to five“ : Böse Blicke im Büro
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Blickt grimmig, ist aber einfach nur fokussiert - dieser Sperlingskauz, der in Finnland nach Beute Ausschau hält. Bild: Picture-Alliance
Warum blickt Herr R. so grimmig? Warum ist Frau T. traurig, während positive Zahlen vorgetragen werden? In Gesichtern zu lesen, ist interessant. Birgt aber Potential zur Fehlinterpretation.
Der Körper ist ein effizientes Mittel der Kommunikation, das überall verstanden wird. Herr R. ist ein verträglicher Mensch, auch, wenn es oft nicht danach ausschaut. Denn R. blickt phasenweise abgrundtief grimmig. Neuen Kollegen jagt das Respekt ein, sie halten Abstand vom Sauertopf, die älteren registrieren seine mürrische Miene nicht mehr. Frau T. ist eine fröhliche Kollegin, die gern und oft lacht, dann wieder schaut sie ernst, sehr ernst. Fast griesgrämig.
Sichtbar wird das in Konferenzen. Um sich während langweiliger Auslassungen, die für die Abteilung nicht relevant sind, ein wenig Abwechslung zu verschaffen, bieten Gesichter wunderbaren Anschauungsunterricht. Denn wir alle neigen in unserem Selbstoptimierungswahn dazu, Mimik und Gestik zu vernachlässigen. Dabei sei die relevant, behaupten Körpertrainer – was uns nicht wirklich wundert, darauf fußt ihr Geschäftsmodell.
Kommunikation bestehe nur zu 7 Prozent aus Worten, zu 38 Prozent aus der Stimme und zu 55 Prozent aus Körpersprache zitieren sie die Formel des Psychologen Albert Mehrabian. Also Augen auf im Haifischbecken: Ernst schauen viele, runzeln die Stirn, stieren auf Notizen, kneifen die Augen zusammen, was ihre Zornesfalten kratertief modelliert, versenken sich mit eingefrorenen Zügen in Unterlagen oder hören angestrengt zu. Wenn Blicke töten könnten, wäre mancher Konferenzraum lebensgefährliches Terrain. Warum blicken die so böse? Na, weil sie sich nicht im Lächel-Contest befinden, sondern sich konzentrieren.
Das höre er öfter, sagt Herr R., wenn er intensiv über etwas nachdenke, wirke er zornig. Frau T. wird des Öfteren gefragt, warum sie traurig sei. Ist sie gar nicht, sie knobelt an einer Lösung. Schön erscheinen solche Gesichter nicht, aber interessant. Spätestens in der Teeküche entspannen sich die Züge. Zum Beispiel, wenn die Elternzeit-Kollegen mit ihrem Nachwuchs vorbeischauen. Das große „Duzi-duzi-ach-wie-süß“ macht die Runde, die Eisblicke schmelzen. Auch der vermeintlich bärbeißige R. strahlt ins Babygesicht und wird prompt mit einem pausbäckigen Lächeln belohnt. Beide Seiten sind voll konzentriert.
In der Kolumne „Nine to five„ schreiben wechselnde Autoren über Kuriositäten aus Beruf und Hochschule.