Schule in Corona-Krise : Distanzunterricht – eine erste Bilanz
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Mitten im coronabedingten Distanzunterricht erhalten 2,5 Millionen Schüler in Nordrhein-Westfalen ihre Halbjahreszeugnisse. (Symbolbild) Bild: dpa
An den Schulen wurde seit Beginn der Pandemie vieles bewegt und erreicht. Dabei waren die Ausgangsvoraussetzungen in Deutschland alles andere als gut. Ein Gastbeitrag.
Bevor im Frühling vergangenen Jahres die Schulen im Zeichen der Corona-Pandemie schließen mussten, hätten sich Schülerinnen und Schülern nicht träumen lassen, dass ihr Unterricht über Wochen und Monate hinweg außerhalb des Klassenzimmers stattfinden muss. Quasi über Nacht sahen sich Lehrkräfte gezwungen, den Unterricht völlig neu zu gestalten, wurden Eltern zu täglichen Lernbegleitern ihrer Kinder bei quadratischen Gleichungen oder der korrekten Verwendung des Gerundiums, mussten Schülerinnen und Schüler ihren Schulalltag auf einmal weitaus selbständiger organisieren, als sie das bislang gewohnt waren.
Wir sind nun bereits inmitten der zweiten Schulschließungsphase und der Fernlernunterricht hat die pädagogische Landschaft schon jetzt enorm verändert. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, eine erste Bilanz zu ziehen, aber auch einen vorsichtigen Ausblick in die Zukunft zu wagen.
Bedenkt man die Plötzlichkeit und das Ausmaß der Veränderungen im vergangenen Jahr, dann ist eines offensichtlich: An Schulen wurde vieles bewegt und erreicht! Dabei waren die Ausgangsvoraussetzungen in Deutschland alles andere als gut: Digitale Infrastrukturen und entsprechende Lehr- und Lernmaterialien waren kaum vorhanden, an Lehrkräften, die sich damit auskannten, mangelte es gleichfalls. Hinzu kam eine große Rechtsunsicherheit, welche digitalen Anwendungen in der Schule überhaupt genutzt werden dürfen. Unter diesen Bedingungen Unterricht zu gestalten, war eine enorme Herausforderung.
Digitale Tools gehören zum Schulalltag
Dass sie gemeistert wurde, ist das Resultat großer gemeinsamer Anstrengungen. Aus diesem Grund ist es Zeit, den Lehrkräften, Schulleitungen und dem pädagogischen Personal der Schulen „Danke“ zu sagen. Innerhalb kürzester Zeit formierten sich schulische Arbeitskreise, um den Unterricht in Distanz weiterzuführen oder Notbetreuungsprogramme zu organisieren. Nur wenige Lehrkräfte dürften in ihrer Berufslaufbahn ein vergleichbares Maß an Pioniergeist und gegenseitiger Unterstützung erlebt haben wie im vergangenen Jahr.
Gemeinsam wurden digitale Tools erprobt und Tipps und Tricks für den Umgang mit technischen und organisatorischen Herausforderungen geteilt – und zwar nicht nur innerhalb des Kollegiums, sondern auch auf Online-Foren wie dem Twitter-Lehrerzimmer, die einen rasanten Zuwachs erfuhren. Inzwischen gehören diese Tools zum festen Schulalltag. In der gemeinsamen Bewältigung dieser Krise hat die Lehrerschaft in Deutschland auf eindrucksvolle Weise ihr großes Potential und Engagement bewiesen. Das gilt auch dann, wenn es einzelne Negativausnahmen gegeben haben mag und nicht alles auf Anhieb gut funktionierte. Dass sich ein Bildungssystem, das tief im analogen Präsenz-Unterricht wurzelte, über Nacht reibungslos umstellen ließe, konnte realistischerweise niemand erwarten.
Leistungsverluste – aber nicht für alle und überall
Aber natürlich muss sich der Fernlernunterricht an seiner Qualität messen lassen. Dafür fehlt es in Deutschland nach wie vor an belastbaren Daten, was aus zweierlei Gründen problematisch ist. Zum einen: Wir wissen kaum etwas darüber, in welchem Maß der Präsenzunterricht durch digitale Unterrichtsformate kompensiert werden konnte, und welche dieser Formate dem Lernen mehr oder weniger förderlich sind. Zum anderen ist nur schwer zu beurteilen, in welchen Bereichen Förderangebote, etwa während der Sommerferien, am ehesten notwendig sind. Legt man Daten aus den Niederlanden zugrunde, dann hat die Schulschließung im vergangenen Jahr zu einem durchschnittlichen Leistungsverlust geführt, der in der Größenordnung dem Leistungsverlust entspricht, der unter normalen Umständen als Folge der langen Sommerferien beobachtet werden kann.