Corona-Schule : Welche Standards brauchen wir fürs Homeschooling?
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Wir haben ja gesehen, dass in vielen Grundschulen die Lehrkräfte als Betreuung in die Schule kommen mussten. Das ging in der Anfangsphase vielleicht nicht anders, aber in der Zeit der Betreuung hatten sie dann nicht die Möglichkeit, schulische Konzepte zu erarbeiten und für alle Schülerinnen und Schüler Lernprozesse zu generieren. Was die Frage aufwirft: Wer muss eine Notbetreuung eigentlich garantieren? Die Lehrkräfte – deren Funktion es in der aktuellen Situation vor allem sein sollte, die Schülerinnen und Schüler mit möglichst wenig Lücken fachlich und sozial aus dieser Krise herauszuführen? Das ist eine große gesellschaftliche Aufgabe, und wir sollten als reiche Nation die Kosten nicht scheuen, um alle Hebel in Bewegung zu setzen. Würde jede Schule durch – sagen wir – fünf Lehramtsstudierende unterstützt, wäre schon viel gewonnen.
Um Fortbildungen in den Sommerferien kommen die Lehrer aber wohl nicht herum? Allein die Verzahnung von Präsenz und Distanz ist ja hochkomplex.
Für wichtiger noch halte ich es, direkt und ehrlich zu sagen: Damit es am ersten Schultag nach den Sommerferien wirklich reibungslos weitergeht, müssen die Schulen einen Teil der Sommerferien dazu nutzen, gute Konzepte für ihren schulischen Kontext zu entwickeln. Das ist in den Osterferien auch schon zum Teil in den Kollegien geschehen, während die Bildungsadministration die Ferien aus meiner Sicht ein Stückweit verschlafen hat, mit der Entschuldigung, dass das Infektionsgeschehen jetzt erst einmal eine Weile beobachtet werden müsse. Diese Zeit haben wir aber nicht. Wie jede Schule ein Hygienekonzept vorlegen musste, müsste sie jetzt ein pädagogisches erarbeiten. Dazu muss es Vorgaben geben. Und es muss auch darauf geachtet werden, dass Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Haushalten nicht noch benachteiligt werden. Es müsste geklärt werden, wer in der Zeit des Lernens zu Hause zusätzliche Hilfestellungen braucht.
Eine Frage an Sie als Wissenschaftlerin: Haben die Lehrer genug pädagogischen Input, um zum Beispiel die Präsenz-Distanz-Verzahnung auszugestalten?
Grundsätzlich gibt es diese Konzepte, blended learning werden sie genannt, und auch für das Distanz- und Fernlernen gibt es natürlich Qualitätsaspekte. Aber eine Ausbildung für die Situation, in der wir uns befinden, gibt es in Deutschland nicht. Doch es ist festzustellen, dass es in den sozialen Medien unter Lehrern einen großen Austausch genau über diese Fragen gibt. Es gibt viele kreative Ideen. Eine Schule hat zum Beispiel die Abiturvorbereitung als digitales Barcamp organisiert, andere Schulen haben das übernommen. Und es ist so gut gelaufen, dass die Abiturienten gesagt haben, man sollte das beibehalten, auch nach Corona. Ich gehe immer noch davon aus, dass, wenn man Lehrkräfte wertschätzend im System behandelt, unheimlich viel Innovation und Engagement zurückkommt. Und wir brauchen in den Schulen im Moment jeden und jede.
Die Fragen stellte Uwe Ebbinghaus
Prof. Birgit Eickelmann unterrichtet Schulpädagogik an der Universität Paderborn und hat gemeinsam mit PD Dr. Kerstin Drossel die Vodafone-Studie „Schule auf Distanz“ entwickelt.