KI im Unternehmen : Ein Arbeitszeugnis von der Maschine
- -Aktualisiert am
Der Einsatz von KI ist in vielen Unternehmen eine Selbstverständlichkeit. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen. Bild: dpa
Mitarbeiterdaten mit KI auszuwerten, ist in vielen Unternehmen bereits gängige Praxis. Doch der Grat zwischen Talentförderung und Kontrolle ist schmal.
Stärken identifizieren und nutzen. Die persönliche Entwicklung jedes Mitarbeiters fördern. Karrieren vorantreiben. Das hat der Modeversandhändler Zalando laut eigener Aussage im Sinn, wenn es um sein Programm „Zonar“ geht, das mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) Mitarbeiterdaten analysiert. Von einem „sehr umfassenden, quasi panoptischen System der Leistungskontrolle“ spricht hingegen die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung mit Blick auf „Zonar“. Seit fast vier Jahren nutzt Zalando nun die Analysesoftware für mehr als 5000 seiner gut 14 000 Mitarbeiter. Ziemlich genau ein Jahr ist es nun her, dass sich das Unternehmen nach Veröffentlichung einer Studie mit breiter öffentlicher Kritik konfrontiert sah. Denn: Was zwei Soziologen der Berliner Humboldt-Universität im Auftrag der Stiftung nach Gesprächen mit zugegebenermaßen einer ziemlich kleinen Anzahl von zehn Beschäftigten des Unternehmens konstatierten, mutete ein wenig an wie eine Orwell’sche Dystopie vom gläsernen Mitarbeiter.
Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Die Grundfunktion von „Zonar“: Mitarbeiter aus dem Bereich der „White Collar Workers“, also der Wissensarbeiter aus dem Büro-, Handels- oder Dienstleistungsbereich, beurteilen sich kontinuierlich gegenseitig, meist auf der eigenen Hierarchieebene. Die Bewertungen werden in Form von Echtzeitrankings zu verschiedenen Kriterien erhoben, aber auch längere Ausführungen in Schriftform sind Teil des Ganzen. Auf Basis der Auswertung dieser Daten ordnet das System dann die einzelnen Arbeitnehmer in einem Spektrum zwischen Leistungsträgern, starken Mitarbeitern und Minderleistern ein. Darauf wiederum beruhen Empfehlungen der Software an die Vorgesetzten, bei wem etwa eine Weiterbildung, eine Beförderung oder eine Abmahnung sinnvoll ist. Aber auch Gehaltserhöhungen oder Lohnminderungen fußen auf dieser Einordnung. Gleichzeitig werden die Ergebnisse als Basis für Mitarbeitergespräche genutzt, und die Mitarbeiter erhalten Einsicht unter dem Aspekt der Selbsteinschätzung und als Motivation. Und nicht zuletzt auch unter der Prämisse der Talentförderung. Einige Mitarbeiter fühlen sich allerdings durch das Analyseinstrument weniger gefördert als permanent bewertet, kontrolliert und damit unter Druck gesetzt, sowohl was die eigene als auch die Beurteilung der Kollegen betrifft – so jedenfalls ging es aus dem Bericht der Böckler-Stiftung hervor.
Der Einsatz einer auf KI gestützten Software fällt in den Bereich der „People Analytics“ – unter Personalmanagern ist das längst ein gängiger Begriff. Viele Unternehmen nutzen die neuen Möglichkeiten – wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise. Im Kern wird auf Grundlage von Daten das Verhalten von Mitarbeitern erfasst und analysiert. Um die großen Datenmengen (Big Data) auszuwerten, nutzen digitale Analyseinstrumente in der Regel KI. Genauer gesagt: Algorithmen, die auf der Basis der Daten, die ihnen zur Verfügung gestellt werden, eine Aufgabe zu lösen versuchen und dabei beständig selbst lernen und sich verbessern. In Verbindung mit anderen Unternehmensdaten bilden die Erkenntnisse dann die Basis für Empfehlungen und Prognosen zur Personalführung. Nicht immer geht es um Leistungserfassung. Manchmal soll die KI auch herausbekommen, was mögliche Gründe für eine hohe Fluktuation sind oder wie sich die Mitarbeiterzufriedenheit steigern lässt.