Druck aus den eigenen Reihen
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Als Orte von Fällen von Cancel Culture gelten oft amerikanische Elite-Universitäten. Hier zu sehen ist der Campus der Yale University. Bild: Getty
Im Academic Freedom Index fehlt eine wichtige Größe: Wissenschaftsfreiheit ist nämlich nicht nur durch Autokraten bedroht, sondern auch durch interne Pressionen. Ein Gastbeitrag.
Seit 2020 wird mit dem Academic Freedom Index (AFI) der Stand der Wissenschaftsfreiheit gemessen, global und historisch bis in das Jahr 1900 zurückgehend. Das ist ein grundsätzlich begrüßenswerter, aber auch sehr ehrgeiziger Anspruch. Denn es ist begrifflich und methodisch nicht ohne Weiteres klar, was und wie überhaupt gemessen wird: Was genau ist Wissenschaftsfreiheit in Bezug auf welche Disziplinen, was sind ihre Verletzungen, vom wem gehen diese aus (von staatlichen oder von nicht staatlichen Akteuren), wer stellt sie anhand welcher Indikatoren fest, und wie werden die Daten statistisch erfasst?
Kern der weltweiten Erhebung sind Befragungen von mehr als zweitausend Experten mittels standardisierter Fragebögen, sodass diese Experten ihre qualitativen Einschätzungen auf einer vordefinierten Punkteskala verorten können, was einen länderübergreifenden Vergleich ermöglichen soll. Aggregiert werden die Einschätzungen mithilfe eines statistischen Modells, das vom „Varieties of Democracy“-Projekt an der Universität Göteborg für eine andere Erhebung entwickelt wurde. Zu den fünf Indikatoren gehören neben der Freiheit von Forschung und Lehre die Freiheit des akademischen Austauschs und der Wissenschaftskommunikation, die institutionelle Autonomie, die Campus-Integrität sowie die akademische und kulturelle Ausdrucksfreiheit. Es wäre gewiss überzogen, dem AFI vor dem Hintergrund dieser Komplexität grundsätzliche Vorwürfe zu machen, auch wenn man etwa die Auswahl der Indikatoren kritisieren könnte oder dass die Einzelnoten der Experten quer über alle Fächer und akademischen Einrichtungen aggregiert werden.
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