Wir erleben eine Refeudalisierung der Diskussion
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Martin Nettesheim ist Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht und Völkerrecht an der Universität Tübingen Bild: privat
Die Hochschulen sind kein Schutzort vor Argumenten: Gespräch mit dem Rechtsprofessor Martin Nettesheim über den Wandel der Debattenkultur und politischen Druck auf die Wissenschaft.
Vergangene Woche wurde das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit gegründet, das die Redefreiheit an Hochschulen verteidigen will. Sie gehören dem Vorstand an. Welche Gefahren sehen Sie für das Wissenschaftssystem?
Martin Nettesheim: Die Funktionsfähigkeit eines Wissenschaftssystems hängt von der Beachtung bestimmter Standards ab. Offenes Erkenntnisstreben nach den Standards der jeweiligen Fachrichtung ist unverzichtbar. Epistemische Kohärenz und Rationalität sind erforderlich. Ein Wissenschaftssystem, das sich offen für neue Fragen, Ansätze und Perspektiven zeigt, funktioniert gut. Wir verteidigen insbesondere die Möglichkeit, die überkommenen Paradigmen in Frage zu stellen und zu überwinden, so wie dies etwa im Bereich von Genderstudies, Entkolonialisierungsansätzen etc. geschieht. Wir wenden uns gegen Eingriffsversuche, die auf wissenschaftsfremden Argumenten beruhen, beispielsweise die politische Korrektheit möglicher Ergebnisse. Wir wehren uns dagegen, inhaltliche Fragen dadurch beantworten zu wollen, dass über den Status der Forschenden gesprochen wird.
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