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Jura und die Digitalisierung : Bereit für Legal Tech

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In den Legal-Tech-Vorlesungen und -Seminaren, die der Zivilrechtler seit über drei Jahren an unterschiedlichen Hochschulen gibt, wirft er gern eine interaktive Karte an die Wand: Der Datenbank „Legal Tech in Deutschland“ entnommen, zeigt sie die bundesweite Verteilung von Unternehmen, die mit der Verbindung von Recht und Informatik Geld verdienen wollen – mit Hotspots in Berlin oder im Ruhrgebiet. Aber Fries verfolgt nicht nur die Dynamik der Start-up-Szene, sondern auch universitäre Aktivitäten, vom Hackathon bis zum Vortrag: „Legal Tech im Wintersemester 2019/20“ heißt die Linksammlung, die er aktuell bei der Juristencommunity des Beck-Verlages eingestellt hat. Der Privatdozent kommt zu dem Schluss: „In der Start-up-Branche dürfte der Hype vorbei sein, an der Uni gewinnt das Thema gerade erst an Fahrt.“

Zu den Legal-Tech-Vorreitern in Deutschland zählen Fries wie auch Domokos die private Bucerius Law School in Hamburg. Sie bietet neben regelmäßigen öffentlichen Vorträgen und einer Summer School für Studierende im Wahlpflichtbereich ein Technologiezertifikat, das vier Seminare in den Bereichen Ethik, Informatik, Programmierung und Statistik umfasst. Gute Verbindungen in die Vereinigten Staaten, wo der Markt für Technologieanwendungen weiter ist als in Deutschland, waren dafür ebenso ausschlaggebend wie der Status einer „Privatuni, die aus wesentlich mehr Ressourcen schöpfen kann“, gibt Domokos zu bedenken. „Das kann man nicht mit staatlichen Universitäten vergleichen.“

Vorsicht vor dem Roboter-Richter

Dabei hat sich an staatlichen Hochschulen schon etwas getan. Entweder, weil engagierte Hochschullehrer das Thema vorantreiben oder studentische Initiativen wie in Frankfurt, München oder Tübingen sich vernetzen, Praktiker einladen und Veranstaltungen organisieren. Manchmal ist es aber auch beides: So hat die Professorin Frauke Rostalski an der Universität zu Köln im März 2019 ein „Legal Tech Lab“ initiiert, ein interdisziplinäres studentisches Labor, das sich mit Chancen und Risiken von Legal Tech befasst. Ein Thema wie gemacht für die Wirtschaftsinformatikerin Jin Jenny Ye, die in ihrem Erststudium immer wieder auf juristische Fragestellungen stieß: Wer trägt die Verantwortung, wenn das autonom fahrende Auto doch mal eine Fehlentscheidung fällt, beispielsweise.

Im Lab engagiert sich die 22 Jahre alte Studentin aktuell in zwei Arbeitsgruppen: Bei „Talking Legal Tech“ will sie Kommilitonen und Referendaren neue juristische Arbeitsweisen etwa in Form von Podcasts näherbringen. „Man kann scheinbar auch ganz gut zehn Semester lang Jura studieren, ohne jemals mit dem Thema Digitalisierung in Kontakt zu kommen“, sagt Ye. Das habe Folgen für die eigene Beschäftigungsfähigkeit: „Es wird uns alle in der Zukunft betreffen.“ Wie intelligente Technologie Juristen entlasten könnte, untersucht Ye in ihrer zweiten Arbeitsgruppe „Smart Sentencing“, zu Deutsch „gerechte Strafzumessung“: Es geht um die Möglichkeit, vergleichbare Urteile zu finden. Wenn aber ein Instrument mit Hilfe Künstlicher Intelligenz Urteile ausliest, wie weit ist es dann noch bis zu einer Software, die möglicherweise mit Voreingenommenheiten arbeitet und sogar Urteile fällt?

Die Jurastudentin im dritten Semester stellt klar: „Der Robo-Judge sollte meines Erachtens niemals eingeführt werden.“ Recht sei schließlich von Menschen für die Gesellschaft gemacht – ein Normrahmen, über den auch zukünftig besser Menschen als Maschinen urteilen sollten. Dass jedes System mit Daten aus der Vergangenheit gefüttert werde, könnte aber in der Tat zu Problemen führen, so Ye. „Man sollte nur Tools verwenden, deren Entscheidungsprozesse nachvollziehbar und korrigierbar sind.“ Bis zum fertigen Programm hat ihre Arbeitsgruppe sowieso noch einige Semester vor sich: Bisher veröffentlichen nur wenige deutsche Gerichte ihre Urteile. „Wir machen uns auch Gedanken, wie Urteile zukünftig verfasst sein müssten, um für mehr Transparenz zu sorgen.“

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