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Online-Lehre : Bildschirme ohne Spione

  • -Aktualisiert am

Mit Sicherheitsabstand: Studenten in einem Hörsaal Bild: Finn Winkler

Datenschutzkonforme Onlinelehre ist technisch möglich. Man muss nur die richtigen Dienst verwenden. Die Hochschulen sind dazu moralisch verpflichtet. Ein Gastbeitrag.

          5 Min.

          Auch in den Hochschulen hat das Coronavirus zu Distanzunterricht und Onlineveranstaltungen geführt. Anders als an den Schulen waren und sind die Voraussetzungen dafür gut. Dozenten wie Studenten verfügen über die notwendigen digitalen Endgeräte und nutzen sie in der Lehre. Mit Lernmanagementsystemen werden Studenten digitale Angebote zugänglich gemacht. Onlinekommunikation per Mail, Messenger oder Videokonferenz gehört zum akademischen Alltag.

          Gleichwohl war die zeitweise vollständige Umstellung von Campusleben und Präsenzlehre auf digitale Kommunikationskanäle und Videoformate im März 2020 eine technische Überforderung. Schulen und Hochschulen sind aus pädagogischen, sozialen und psychologischen Gründen für das dialogische Lehren und Lernen vor Ort konzipiert. Fernunterricht ist ein Hilfskonstrukt für diejenigen, die aus gesundheitlichen, beruflichen oder anderen Gründen nicht in Präsenz teilnehmen können. Auf die Schnelle ließ sich der Transfer von Vorlesungen, Seminaren, Laboren und Studios nur mit externer Hilfe und dem Einsatz kommerzieller und herstellerabhängiger (proprietärer) Videosoftware aus den Vereinigten Staaten wie Microsoft Teams, Webex oder Zoom bewältigen.

          Technisch funktionierte das gut, aber es gibt juristische Probleme. US-amerikanische Unternehmen unterstehen amerikanischer Jurisdiktion. Mit dem US Cloud Act von 2018 hat die amerikanische Regierung jede Form von Datenschutz aufgehoben. Sie hat sich den vollständigen Zugriff auf alle Nutzer- und Systemdaten gesichert, die mit US-Software erzeugt werden, unabhängig vom Serverstandort oder von in anderen Ländern geltenden Gesetzen. Problematisch ist, dass weder Hochschulen als Vertragspartner dieser Unternehmen noch Nutzer Einfluss darauf haben, ob, wo und welche Daten gespeichert werden und wer Zugriff auf sie hat. Das widerspricht der Europäischen Datenschutzgrundverordnung, die besagt, dass Nutzer zustimmen müssen, bevor ihre personenbezogenen Daten verarbeitet werden.

          Rechtskonforme Lehrmittel

          Laut Urteilen des Europäischen Gerichtshofs zu Safe Harbour (2015) und Privacy Shield (2020) und den Stellungnahmen mehrerer deutscher Datenschutzbeauftragter können weder MS Teams noch Webex oder Zoom im Einklang mit dem europäischen Datenschutzrecht betrieben werden. Microsoft reagierte im Dezember 2020 als erstes US-amerikanisches Unternehmen auf diese Problematik und veröffentlichte eine Stellungnahme zum European Data Protection Board. Das sind Richtlinien, die europaweit festlegen, dass die Speicherung und Weitergabe personenbezogener Daten nur in einem Umfang zulässig sind, der zur Erfüllung eines vorab definierten Zwecks nötig ist. Microsoft sicherte Betroffenen zu, sie zu informieren, „wenn Microsoft durch eine staatliche Anordnung rechtlich bindend dazu verpflichtet wurde, Daten an US-Sicherheitsbehörden herauszugeben“. Außerdem versprach das Unternehmen, den „Rechtsweg zu beschreiten und die US-Gerichte anzurufen, um die behördliche Anordnung zur Herausgabe der Daten anzufechten“. Das verhindert aber nicht den Zugriff amerikanischer Dienste auf Nutzerdaten. Es zeigt vielmehr, dass amerikanische Unternehmen selbst in Geiselhaft der Nachrichtendienste genommen werden. Wer die Herausgabe dieser Daten verweigert, verliert die Geschäftsgrundlage in den Vereinigten Staaten.

          Datenschutzbestimmungen schützen keine Daten (das wären Strategien zu Datensicherung und Datensicherheit), sondern Grundrechte wie das informationelle Selbstbestimmungsrecht, elementare Persönlichkeitsrechte und die Privatsphäre. Grundrechte gilt es zu achten, zumal es rechtskonforme und praxiserprobte Lösungen gibt, die Schulen und Hochschulen schon vor dem Pandemieausbruch nutzen konnten. Dazu zählt unter anderem Big Blue Button, eine Open-Source-Anwendung, die für Lehrveranstaltungen konzipiert wurde. Die Software lässt sich direkt als Aktivität in Lernmanagementsysteme wie Moodle einbinden und erlaubt so eine einfache Zugangskontrolle und Rechtevergabe bereits über den Schul- oder Hochschulaccount. Schnittstellen zu wichtigen Lern- und Inhaltsverwaltungssystemen sind schon integriert. Bei diesem als digitales Klassenzimmer konzipierten Tool können Lehrkräfte selbst Räume einrichten und per Kamera und Mikrofon mit Schülern kommunizieren. Es gibt Präsentationsmöglichkeiten, Bildschirmübertragung, ein Whiteboard als digitale Pinnwand, eine Chatfunktion für Gruppen- und Einzelnachrichten und sogenannte Breakout Rooms für das Arbeiten in Gruppen. Dazu kommen Optionen zum gemeinsamen Bearbeiten von Texten, Abstimmungen und Ähnliches. Das erlaubt eine Vielfalt an didaktischen Methoden im Unterricht.

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