https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/hoersaal/gruppenarbeit-an-uni-wie-die-zusammenarbeit-auch-etwas-bringt-17850468.html

Gruppenarbeit an der Uni : Wie die Zusammenarbeit auch wirklich etwas bringt

  • -Aktualisiert am

Im Schulunterricht aber auch in der Uni müssen Aufgaben oft in der Gruppe gelöst werden. Doch wie kann man Gruppenarbeiten sinnvoll organisieren? Bild: dpa

Das Stöhnen der Studierenden über Gruppenarbeiten ist alt. Aber seit die Lehre online organisiert werden muss, denken endlich mehr Dozenten über neue Konzepte nach. Studierende können davon profitieren.

          4 Min.

          Zwölf Sitzungen, zehn Gruppenreferate – und fertig ist das Hauptseminar. So war das, als Rainer Pöppinghege Ende der Achtziger Neueste Geschichte in Münster studierte: „Selbst bei den Geschichtsdidaktikern wurden Referate vergeben, angehört, mehr oder minder diskutiert – bis das Semester zu Ende war“, erzählt er. Das war so unbefriedigend, dass Pöppinghege es auf jeden Fall anders machen wollte: Heute halten die Studierenden in seinen Lehrveranstaltungen allenfalls noch Kurzreferate. Um Gruppenarbeit kommen sie dennoch nicht herum.

          Sich gemeinsam zu organisieren und so miteinander umzugehen, dass jeder mitkommt, ist nicht nur in der Schule wichtig. Auch an den Hochschulen und in der Forschung ist Gruppenarbeit unabdingbar, um gemeinsam auf neue Erkenntnisse zu kommen und die Diskussion zu beleben. Aber sie muss gelernt und gelehrt werden – gerade, wenn die Vorbilder, wie in den letzten zwei Jahren, fehlen. Das macht sich nach und nach an den Hochschulen bemerkbar. „Wir erleben, dass das Zusammenlernen, das Zusammenstudieren in dem jetzigen Jahrgang deutlich schwieriger geworden ist. Die Studienanfänger organisieren sich weniger zusammen“, berichtet etwa der Studiengangsleiter für Meteorologie an der Uni Hamburg. Die Dozenten können es sich dagegen auch digital relativ leicht machen – zehn Gruppenreferate per Excel-Tabelle verteilen, und fertig ist die Lehrveranstaltung.

          Man kann auch voneinander profitieren

          „Man zweifelt am System“, sagt Neria Hotho. Die 23-Jährige erzählt von der frustrierenden Zusammenarbeit in ihrem Sozialökonomie-Master an der Uni Hamburg: von Gruppenmitgliedern, die Verabredungen nicht einhalten, halbgare Arbeiten abgeben und am Ende von den Leistungen der anderen profitieren. Erst mit den Trittbrettfahrern zu reden und sie dann konsequent auszuschließen – das ist ihr noch nicht in den Sinn gekommen: „Es gehört zum Studierendenkodex, dass man seine Kommilitonen nicht verpetzt“, sagt sie.

          Dabei ist Hotho eigentlich ein Fan von Gruppenarbeiten. Man verstehe Studien viel besser und gründlicher, wenn man darüber mit anderen reden und streiten kann, findet sie. Das wurde erst im vergangenen Semester wieder deutlich, als sie sich auf ein Präsenzseminar vorbereitete: Die Kommilitonin, mit der sie unter anderem Leitfragen zu Texten beantworten sollte, sei ganz anders an die Texte herangegangen, tiefer und kritischer – und Hotho hat auch methodisch von der Zusammenarbeit profitiert, wie sie sagt: „Wir vergleichen sonst eigentlich nur Ergebnisse und reden nicht über den Prozess, wie wir dazu gekommen sind.“

          Onlinelehre wirkt Kooperation entgegen

          Im Präsenzseminar wurden die gelesenen Texte dann im Plenum besprochen. Weil alle die Texte gelesen und bearbeitet hatten, war das Gespräch lebhaft, und da es später ein Protokoll geben sollte, hörten auch alle zu. „Das war ziemlich clever gemacht, man hat sich mit mehreren Themen auseinandergesetzt, und alle waren rege am Diskutieren“, findet Hotho. Zumindest bis zu dem Moment, wo das Seminar wieder auf Online umschwenkte und die Gruppendynamik ausbremste: „Das war ein starkes Downgrade“, sagt die Studentin.

          Der Religionspädagoge Oliver Reis von der Uni Paderborn erklärt das mit den besonderen Prägungen durch die Pandemie: „Die Studierenden haben ein anderes Sozialverhalten gelernt“, sagt er. Eines, das auf Distanz und Einzelaufgaben setze, aber für die Gruppenarbeit kontraproduktiv sei: „Gruppenarbeit braucht Face-to-Face-Kontrolle, die anderen müssen sehen, wer was macht.“

          Weitere Themen

          Das letzte große Ding

          Goetz im Wissenschaftskolleg : Das letzte große Ding

          Der Semesterapparat wummert, der Copyshop läuft: Rainald Goetz hat in Berlin einen Vortrag gehalten, der euphorisch rezipiert wird, weil er Stoff liefert für die Selbstwertschöpfungskette der Geisteswissenschaften.

          Topmeldungen

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.