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Geflüchtete Studenten : Anschluss zu finden ist schwer

  • -Aktualisiert am

Einführungsveranstaltung für Flüchtlinge an einer deutschen Universität Bild: dpa

Die Programme der Universitäten erleichtern geflüchteten Studenten den Start in Deutschland. Doch danach wird es schwer. Zwei Studenten erzählen.

          5 Min.

          Vergangenen Monat wurde Wesam, dreiunddreißig, aus Syrien, Student der Rehabilitationspädagogik, eingebürgert. Als er vor sieben Jahren in Deutschland ankam, war eine seiner ersten Anlaufstellen das Willkommensprogramm der Freien Universität Berlin (FU). Seit 2015 dürfen geflüchtete Personen in Deutschland studieren, und zwar auch dann, wenn das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist oder nur ein Duldungsstatus besteht. Für Wesam war die Aufnahme in das Willkommensprogramm einfach. Aus Syrien kommend, musste er die Gründe für seine Flucht nicht beweisen. Außerdem hatte er in Syrien schon zweieinhalb Jahre Sonderpädagogik studiert.

          Auch Tatiana, sechsunddreißig, aus Moldau, Bachelorstudentin der Filmwissenschaft, ist seit neun Jahren in Deutschland. Sie lebt seitdem unter dem Duldungsstatus. 2020 bewarb sie sich für das Willkommensprogramm der FU und hatte Glück, in der zweiten Runde aufgenommen zu werden. Da sie als moldauische Staatsbürgerin nicht asylberechtigt ist, half es ihr, dass sie schon einen Bachelor in Museumsrestauration in Chişinău absolviert hatte.

          „Du denkst, du hast C1 erreicht und bist Superman“

          Das Willkommensprogramm der Freien Universität unterstützt geflüchtete Personen in dem Ziel, die Studierfähigkeit zu erreichen. Es wendet sich besonders an diejenigen Personen, die aufgrund ihrer Flucht das Studium unterbrechen mussten oder gar nicht erst beginnen konnten. In intensiven, idealerweise einjährigen Sprachkursen werden die Teilnehmer auf den Hochschulstart in Deutschland vorbereitet. „Die Sprachkurse waren sehr intensiv, aber sie haben geholfen. Jeden Tag habe ich Deutsch gelernt, von B1 bis C1 bin ich gekommen“, sagt Wesam.

          Er hatte zuvor einen Integrationskurs besucht, wo er auf A2-Kenntnisse kam. C1 brauchte er, um Rehabilitationspädagogik komplett auf Deutsch zu studieren. Und doch war die Sprache das größte Problem: „Du denkst, du hast C1 erreicht und bist Superman, und dann sitzt du in der Vorlesung mit weiteren hundert Studenten und verstehst erst mal nur Bahnhof.“ Irgendwann musste Wesam akzeptieren, dass sein Studium länger als vorgegeben dauern würde, auch wenn ihm das schwerfiel. Am Anfang hatte er sehr große Erwartungen an sich selbst, lernte jeden Tag mindestens vierzehn Stunden, bis er psychisch an seine Belastungsgrenze kam.

          Sprachliche Hürden im Studienalltag

          Als Wesam in Berlin ankam, wurde er zunächst in einer Turnhalle untergebracht. Er hatte wenig Bezug zur Stadt und den Einheimischen. Die Mitarbeiter des Willkommensprogramms waren die ersten Menschen, die ihm ein positives Gefühl vermittelten: „Sie haben uns abends Berlin gezeigt, wir sind in die verschiedenen Bezirke gefahren, haben gemeinsam gegessen, gespielt. Sie waren die ersten Personen in Deutschland, die mir das Gefühl vermittelt haben, willkommen zu sein.“

          Seit Wesam in Berlin studiert, belastet ihn der Alltag. Das syrische und deutsche Studiensystem seien zwei unterschiedliche Welten. Module, Leistungspunkte, wie es sie in Deutschland gibt, habe es damals in Syrien nicht gegeben. Auch sei in Syrien das Studium der Sonderpädagogik wenig pädagogisch gewesen. „Ich habe mich damals für den Studiengang entschieden, weil ich ein Praktikum bei einer Organisation für Menschen mit Autismus gemacht hatte und mir die Arbeit gefiel. Als mein bester Freund durch einen Unfall zu einer körperlichen Behinderung kam, hat mich das motiviert“, so Wesam. Deswegen fing er auch in Berlin erst einmal an, Sonderpädagogik zu studieren, ein Kombibachelor mit Lehramtsoption, sein zweites Fach war Philosophie und Ethik.

          Mit Mehrfachbelastung durchs Studium: Tatiana aus Moldau
          Mit Mehrfachbelastung durchs Studium: Tatiana aus Moldau : Bild: privat

          Das konnte Wesam sprachlich nicht bewältigen und beschloss, zur Rehabilitationspädagogik zu wechseln. Auch hier musste er sich jedoch eingestehen, dass die Regelstudienzeit von sechs Semestern mit der Sprachbarriere nicht zu schaffen war: „Ich muss teilweise sechzig, siebzig Seiten an Theorie allein zur Vorbereitung einer Vorlesung lesen, dazu kommt die Nachbereitung. Dafür brauche ich je nach Schwierigkeit des Textes sehr viel Zeit.“

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