Die Schule der Abwesenheit
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Probelauf mit leerer Bühne: Hörsaal an der Universität Stuttgart Bild: dpa
Das digitale Sommersemester ist ein Probelauf für die Hochschule der Zukunft. Die neuen Rollen der bekannten Akteure werden wie im Lehrstück verteilt. Ein Gastbeitrag.
Derzeit hat man den Eindruck, als spielten die Wissenschaftspolitik und die Universität Theater: Aufführungen von professoralen Arbeits- und studentischen Lebensweisen in Videokonferenzen, Videobotschaften von Rektoraten im Stile eines Motivationscoachings, leere Vorlesungssäle und Seminarräume als Kulisse für theatrale Inszenierungen der Online- Lehre, per E-Mail verschickte Dienstanweisungen und hochschuldidaktische Erziehungsmaßnahmen für den nunmehr digital Lehrenden. Das große Drama, das Lehre manchmal ist, die Tragödien der Prüfungen, die Komödien der Gremien: alle Theatralität der Universität wird zur Zeit ganz anders in Szene gesetzt als vor Corona.
Dies zieht die Frage nach sich, ob wir es noch mit den klassischen dramatischen Formen zu tun haben, die wir nutzen, um das Theatrale der Universität und der Politik zu verstehen. Es liegt nahe, die etablierten Formen mit Bertolt Brecht zu verlassen. In diesem Lichte wird klar, dass es sich bei Corona um ein Lehrstück handeln kann. Das Lehrstück ist nämlich politisch-ästhetische Erziehung und Einübung schon bald notwendiger Verhaltensweisen. Das Lehrstück, so Brechts einprägsame Formulierung, lehrt dadurch, „daß es gespielt, nicht dadurch, daß es gesehen wird“. Es soll vor allem politisch erziehen, also eine Verhaltensänderung bei den Spielenden bewirken.
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