Der missbrauchte Doppelpunkt
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Genderei mit Punkten: Bauzaun an der Baustelle für das neue Wohn- und Geschäftsviertel am Alten Markt in Potsdam Bild: Imago
Die Verwendung des Doppelpunkts beim Gendern hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Dadurch wird er seiner eigentlichen grammatikalischen Funktion beraubt – ein Kompromiss ist das nicht. Ein Gastbeitrag.
Wer einen Kompromiss eingeht, verlässt die eigene Position in substanzieller Hinsicht und erwartet dasselbe vom Vertreter der Gegenposition. In einfachsten Fall bewegen sich beide aufeinander zu. Das setzt allerdings die Möglichkeit voraus, eine Richtung der jeweiligen Bewegung zu erkennen, womit schon die erste Schwierigkeit beim Suchen eines Kompromisses beim Sprachgendern genannt ist. Trotzdem scheint gegenwärtig die Suche nach Kompromissen intensiver zu sein als noch vor zwei oder drei Jahren.
Erkennbar wird das an der Zunahme bestimmter gegenderter Formen und dem Rückgang anderer. Unterscheidet man eine Gruppe von Formen, die zum Deutschen gehören und auch unabhängig vom Gendern verwendet werden, auf der einen Seite von solchen, die ausschließlich dem Gendern dienen, dann stehen auf der einen die sog. Beidnennung von sexusbezogenen Ausdrücken wie „Schlosser und Schlosserin“, weiter substantivierte Partizipien wie Einwohnender, Geflüchteter oder Wahlhelfender anstelle von Einwohner, Flüchtling und Wahlhelfer. Die Möglichkeiten zur Vermeidung maskuliner Personenbezeichnungen sind zahlreich und geläufig. Sie müssen an dieser Stelle nicht aufgeführt werden. Zu den Formen, die ausschließlich dem Gendern dienen, gehören Stern (Einwohner*in), Unterstrich (Einwohner_in), Doppelpunkt in dieser Verwendung (Einwohner:in), Binnen-i (EinwohnerIn) und einige weitere, die außer Betracht bleiben können.
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