Kolumne „Expat“ : Skandinavischer Dresscode
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Outdoor-Bekleidung ist in Norwegen angesagt. Bild: dpa
Schlips und Kragen? In norwegischen Banken völlig unüblich, ja sogar ausgelacht wird man dafür. Die bessere Variante: Atmungsaktive Funktionsjacken in knalligen Farben und Sportuhren mit eingebautem Höhen- und Pulsmesser
An die Party in Hamburg kann sich Hans Leine noch lebhaft erinnern, allerdings nicht wegen der ausgelassenen Stimmung. Was sich dem Finanzfachmann aus Norwegen, der damals noch für die HSH Nordbank arbeitete, ins Gedächtnis gebrannt hat, war vielmehr die strenge Kleiderordnung, der sich seine deutschen Kollegen bis tief in die Nacht unterwarfen. „Kein Einziger von ihnen hat die Krawatte abgelegt“, berichtet er, noch immer schwingt ein ungläubiger Ton in seiner Stimme mit. „Irgendwann legten einige immerhin das Jackett ab, das war auch schon das Höchste der Gefühle. Die Weste hat niemand ausgezogen.“

Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Inzwischen ist Leine in seine Heimat zurückgekehrt. Er arbeitet direkt am Yachthafen von Oslo in einem modernen Bürohaus, es ist eine der teuersten Lagen der Stadt. Mit Schlips und Kragen aber kommt hier niemand in die Bank. „Wer sich nicht praktisch anzieht, wird ausgelacht“, beschreibt der 37 Jahre alte Banker das typisch norwegische Diktat der Mode. Dass Fridtjof Nansen und Roald Amundsen, zwei Polarforscher, Abenteurer und Sportskanonen, zu den populärsten Nationalhelden zählen, ist kein Zufall. Selbst der Vorstandsvorsitzende eines börsennotierten Konzerns kann zur Präsentation der Quartalszahlen den Laptop im eigenen Rucksack mitbringen, ohne dass es auffällt. Die meisten Analysten und Journalisten sind ja höchstwahrscheinlich auch mit Fleece und Regenjacke zu dem Termin gekommen. Denn im Land der Gletscher und Fjorde genießen nicht große Autos oder edles Tuch den Rang von Statussymbolen, sondern atmungsaktive Funktionsjacken in knalligen Farben und Sportuhren mit eingebautem Höhen- und Pulsmesser.
Auf den Rest Skandinaviens sei dieser norwegische Dresscode jedoch nur mit Einschränkungen zu übertragen. Obwohl Schnee und Regen in den Nachbarländern genauso häufig seien und man sich auch dort generell duze, gelte etwa im schwedischen Geschäftsleben eine ganz andere, viel weniger informelle Etikette. „In Stockholm sind eng geschnittene Anzüge und Hemden für Männer Pflicht, dazu ein schicker Mantel - ganz egal, wie das Wetter ist.“ Leines neuer Arbeitsplatz ist die norwegische Niederlassung der schwedische Großbank SEB, er kennt sich also aus mit den feinen Unterschieden im Norden. „Wenn wir ganz hohen Besuch aus der Zentrale bekommen, holen wir auch schon mal die Krawatte aus der Schublade.“