Ersthelfer in Betrieben : Lebensrettung durch Unbekannte provoziert Debatte über Erste Hilfe
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Die Herzdruckmassage ist entscheidend bei der Ersten Hilfe. Bild: dpa
Weil eine unbekannte Ersthelferin einen Mitarbeiter rettete, schaltete ein Unternehmen eine Dankes-Anzeige. Und macht jetzt damit Furore auf Twitter. Auf einmal machen sich viele Gedanken über Erste Hilfe im Betrieb.
Eine klassische Zeitungsannonce kommt oft in Extremfällen des Lebens zum Einsatz: Dann, wenn jemand geboren wurde oder verstorben ist. In der Süddeutschen Zeitung dagegen erschien eine Anzeige, weil jemand nicht gestorben ist: Ein Unternehmen aus Mannheim, die Schrödinger GmbH, bedankte sich bei einer jungen Frau für die Rettung eines Mitarbeiters. Die Annonce postete eine Journalistin auf Twitter – ein Tweet, der großen Anklang fand: Rund 4000 Nutzern gefiel der Beitrag.
Darin wird ziemlich eindrücklich auf das Thema Erste Hilfe aufmerksam gemacht: Nachdem ein Mitarbeiter des Unternehmens auf offener Straße aufgrund einer Lungenembolie zusammengebrochen war, leistete eine Unbekannte bei ihm Erste Hilfe – solange bis die Rettungskräfte eintrafen. Mittlerweile ist der Mann wieder gesund und wohlauf. Die Schrödinger GmbH nahm die Rettungsaktion auch als Anlass für eine Ankündigung: Ab sofort möchte das Softwareunternehmen an allen Standorten jährlich Erste-Hilfe-Kurse durchführen, um Menschen in Not helfen zu können.
Einige Nutzer beäugten die Anzeige zwar kritisch und sahen diese eher als Marketingversuch an, die meisten aber reagierten begeistert. So schrieb eine Nutzerin „Das nenne ich Firmenkultur und Anstand“. Viele betonten die Wichtigkeit von Erste-Hilfe-Kursen – einige nahmen den Tweet sogar als Anstoß, sich selbst zu einem anzumelden.
Tatsächlich sollten sich nicht nur Privatpersonen in Erster Hilfe auskennen: Unternehmen sind in Deutschland verpflichtet, einige ihrer Mitarbeiter als Ersthelfer auszubilden. Denn der Schutz von Arbeitnehmern gehört zu den Grundpflichten von Unternehmen. Grundlage für diese Regelung ist „Vorschrift 1“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).
Ablehnen dürfen Mitarbeiter es nicht, Ersthelfer zu werden: Prinzipiell können Unternehmen also jeden Mitarbeiter zum Ersthelfer ernennen und ausbilden lassen. Diese müssen dann einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren, der mindestens alle zwei Jahre wieder aufgefrischt werden muss. Ignorieren Unternehmen die Vorschriften und fällt das bei einer Überprüfung durch die Berufsgenossenschaft auf, wird es teuer: In einem solchen Fall kann eine Geldstrafe von bis zu 10.000 Euro verhängt werden. Rund zwei Millionen Arbeitnehmer werden jedes Jahr laut Deutscher Gesetzlicher Unfallversicherung als Ersthelfer ausgebildet. Die Unfallversicherungsträger übernehmen dafür die Kosten.
Die Anzahl der Ersthelfer variiert je nach Mitarbeiteranzahl der Betriebe: Bei weniger als 20 Mitarbeitern, muss mindestens ein Ersthelfer im Unternehmen sein. Trotzdem empfiehlt es sich auch bei kleinen Betrieben, mehr als einen Mitarbeiter zum Ersthelfer ausbilden zu lassen: Denn auch bei Krankheit oder Urlaub muss immer mindestens ein Ersthelfer im Unternehmen sein. Bei mehr als 20 Mitarbeitern müssen zehn Prozent der Angestellten als Ersthelfer fungieren können. Eine Ausnahme gibt es dabei: In Verwaltungs- und Handelsbetrieben müssen es nur fünf Prozent der Arbeitnehmer sein. In Hochschulen dagegen sollten zehn Prozent der Beschäftigten als Ersthelfer ausgebildet sein. Außerdem müssen Unternehmen darüber informieren, welche Mitarbeiter Ersthelfer sind – beispielsweise mithilfe eines Aushangs.
In Deutschland ist Leben retten Pflicht
In Deutschland ist es Pflicht, Menschen Hilfe zu leisten, wenn die Situation es verlangt – es sei denn man setzt sich dadurch einer erheblichen Gefahr aus oder verletzt andere Pflichten, wie beispielsweise die Aufsichtspflicht. Mittlerweile steigen zwar die Reanimationen durch zufällig anwesende Personen, dennoch sind viele noch zögerlich bei Erste-Hilfe-Maßnahmen: Laut dem Deutschen Reanimationsregister fanden 2018 in 44 Prozent der Fälle schon Reanimationsmaßnahmen statt, bevor die Rettungskräfte eintrafen. Davon wurden nur 39,1 Prozent von zufällig anwesenden Personen durchgeführt.
Häufig haben Menschen Angst davor, etwas falsch zu machen und zögern bei der Ersten Hilfe. Dabei sind Ersthelfer gesetzlich besonders geschützt. Sie können nur belangt werden, wenn sie grob fahrlässig gehandelt haben oder aber vorsätzlich den Tod oder eine Verschlimmerung des Zustands eines Verletzten verursachen.