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Digitalisierung an Schulen : Die Bildungspolitik im Innovationsfieber

Neben einer Stärkung der Ausbildung fürs Berufsschullehramt soll die Digitalisierung an Schulen vorangetrieben werden. Bild: dpa

Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz sichert zusätzliche 64 Millionen Euro für Digitalisierung an Schulen und fürs Berufsschullehramt zu. Viel ist das aber nicht, um die Pläne zu verwirklichen.

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          Die Aufweichung des Kooperationsverbots vor drei Jahren hat den Weg für das dauerhafte Engagement des Bundes in den Hochschulen frei gemacht. Statt kurzfristiger Förderprogramme wurden jetzt langfristige Weichenstellungen möglich. Nach der Sitzung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) vergangene Woche ist aber immer noch nicht klarer, wie der Bund seine neuen Befugnisse nutzen will. Am Ende der Sitzung steht der magere Beschluss, zusätzliche 64 Millionen Euro in Digitalisierung und in die Lehramtsausbildung für berufliche Schulen zu stecken, eine Entscheidung, die nah an der Bildungsbiographie und den Prioritäten von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek liegt, von der nach den ersten hundert Tagen ihrer Amtszeit vor allem drei Wörter in Erinnerung bleiben: berufliche Bildung, Digitalisierung, Innovation.

          Thomas Thiel
          Redakteur im Feuilleton.

          Was die Ministerin in der Wissenschaft vorhat, ist noch kaum zu erkennen. Ihre diesbezüglichen Ankündigungen liegen, wie die geplante Agentur für Sprunginnovationen, stets nah an Standortinteressen. Die für die Wissenschaft entscheidenden Themen von der Neuverhandlung des Hochschulpakts bis zur Personalmisere des akademischen Mittelbaus werden mit deutlich weniger Elan angegangen.

          Der größte Brocken, die Verstetigung des Hochschulpakts, ist im Koalitionsvertrag beschlossen, bis April 2019 soll das neue Rahmenwerk stehen. Im gleichen Zeitraum soll der großzügig ausgestattete „Pakt für Forschung und Innovation“ (PFI), der die außeruniversitären Forschungszentren mit Geld versorgt, neu ausgehandelt werden. Der berechtigten Forderung der Länder, die Mittel des Hochschulpakts analog zum PFI jährlich um drei Prozent zu steigern und so die kontinuierlich gewachsene Finanzierungslücke zwischen den Hochschulen und außeruniversitären Zentren zu verringern, hat Anja Karliczek schon eine Absage erteilt. Dass die Gelder für die Wissenschaft in Zukunft nicht mehr wie in den vergangenen Jahren sprudeln werden, wie Karliczek vorrechnet, dass die doppelten Abiturjahrgänge, die der Hochschulpakt abfedern soll, auslaufen und dass die Länder, die sich aus der finanziellen Verantwortung für den PFI gestohlen hatten, erst einmal die Schulden der Vergangenheit bezahlen sollen, bevor sie mit neuen Forderungen kommen – all das sind nachvollziehbare Argumente, doch der Handlungsdruck ist in dieser Sache zu groß, um sich in Schuldzuweisungen zu verlieren.

          Das Geld könnte woanders fehlen

          Unübersehbar hakt es im föderalen Getriebe, und der Wissenschaft fehlt ein Fingerzeig, was man über die streng anwendungsbezogene Forschung hinaus für fördernswert hält. Die Absicht des Bundes, einen Teil der Hochschulpakt-Gelder kurzfristig nach dem Wettbewerbsprinzip zu vergeben, lässt Sensibilität für die Eigenlogik der Forschung vermissen, die auf lange Fristen angelegt ist. Und angesichts der impliziten Dauerkritik an der Grundlagenforschung stellt sich die Frage: Werden die knappen Gelder auf der Innovationsseite wenigstens gut angelegt? Der Digital-Pakt für die Schulen ist hier beschlossene Sache, unbeantwortet ist die entscheidende Frage, ob die Länder die fünf Bundesmilliarden, die nur eine Anschubhilfe sein können, mit eigenen Mitteln ergänzen werden und ob die Mittel zum dauerhaften Betrieb einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur, realistisch gesehen, überhaupt aufgebracht werden können. Sonst könnte es einen Digital-Torso geben, wie in Baden-Württemberg, das gerade 28 Millionen Euro in die nicht betriebsfähige Bildungsplattform Ella versenkt hat. Schön wäre es auch zu wissen, was man sich unter digitaler Bildung eigentlich vorzustellen hat. Die Pressemitteilung der GWK beschränkt sich auf übliche Schlagwörter: E-Learning, Medienkompetenz, neue Lehr- und Lernprozesse. Sollte es nach so vielen derartiger Ankündigungen nicht langsam benennbare Konzepte geben?

          Ministerin Karliczek will „jungen Menschen die Chance geben, sich intensiv mit allen Facetten der Digitalisierung zu befassen“, und die Lehramtsausbildung für Berufsschulen zum Schwerpunkt machen. Letzteres ist ein wichtiger Punkt, aber die Gelder, die von den teuren und wartungsintensiven digitalen Infrastrukturen verschlungen werden, könnten am Ende für Pädagogen fehlen, von denen es schon heute viel zu wenige gibt. Für die Lehramtsausbildung wäre damit wenig gewonnen. Vor der Anschaffung der Hard- und Software sollte man jedenfalls wissen, welche Fähigkeiten man schulen und welches Medium man für welchen Zweck verwenden will. Das spart am Ende viel Geld. Vordigitale Kompetenzen wie konzentriertes Lesen, ein gutes Gedächtnis und der Sinn für Nuancen werden ja weiter und in Zukunft noch stärker gefragt sein, allein schon deshalb, weil man sie Künstlichen Intelligenzen nicht beibringen kann.

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