Gründerserie : Neues Leben aus der alten Braunkohle
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Der Gründer: Horst Ninnemann, Chef von Novihum Bild: Edgar Schoepal
In Dresden wurde es erforscht, in Dortmund wird es umgesetzt: Aus Braunkohle kann man Humus gewinnen, der nährstoffarme Böden aufbessert. Und ein cleverer Unternehmensgründer bessert damit nun auch seine Karriere auf.
Wer das junge Unternehmen Novihum Technologies besuchen will, muss in der Nähe des Dortmunder Industriehafengeländes zunächst an ziemlich viel Old Economy vorbei. Einfach zu finden ist es nicht. Denn das 2012 gegründete Start-up ist Untermieter des Chemieunternehmens Deutsche Gasrußwerke, das unter anderem die Reifen-, Gummi- oder Kunststoffindustrie beliefert. Im Verwaltungsgebäude haben Mitarbeiter von Novihum ein paar separate Büroräume bezogen. Weiter hinten auf dem weitläufigen Werkgelände steht die Halle, in der das Produkt erzeugt wird: ein Granulat aus dem Rohstoff Braunkohle, das der Humusanreicherung ausgezehrter Böden dient. Das dafür sorgt, dass Böden fruchtbarer werden und beispielsweise Obst- und Gemüseproduzenten bessere und schmackhaftere Ernten erzielen.
Wenn Mitbegründer Horst Ninnemann von der Gründungsidee erzählt, muss er zeitlich weit ausholen. Denn die Ursprünge der heutigen Gesellschaft liegen schon recht weit zurück. So wurde an der Technischen Universität Dresden schon vor vielen Jahren an einer Technologie zur Herstellung von einer Art Humusersatzstoff geforscht, wobei Ende der 1990er Jahre Braunkohle als Rohstoff ins Spiel kam. Für die Bodenfruchtbarkeit, also die dauerhafte Fähigkeit von Böden, Ressourcen wie Nährstoffe und Wasser in effizientes Pflanzenwachstum zu transferieren, spielt hochwertiger Dauerhumus eine Schlüsselrolle, wie Ninnemann erklärt. Der promovierte Forstwirt mit vorangegangenem Chemie- und Ingenieurstudium in Nürnberg arbeitete damals in Dresden zunächst als Student, später als Wissenschaftler mit an dem Projekt. Es gab erste erfolgreiche Tests zur Rekultivierung von Böden in der Niederlausitz und in China. Sie zeigten, dass die Erfindung funktionierte und ausgelaugte, zerstörte Böden recht schnell wieder gesundeten. Das Ganze wurde aber nicht weiterverfolgt, und auch Ninnemanns Berufslaufbahn nahm zunächst einen völlig anderen Weg.
Das Thema Dauerhumus holte ihn erst 2012 durch einen Anruf und auf Initiative von Rolf Nagel, Partner der unter anderem auf Investitionen in Grüne Technologien spezialisierten Investmentgesellschaft Munich Venture Partners, wieder ein. Dieser war durch eine Informationsveranstaltung auf die Technologie gestoßen und fragte Ninnemann, ob er denn Lust habe, sich erneut damit zu befassen. Als Dritter im Bunde kam damals der inzwischen in den Ruhestand gewechselte Physiker Peter Langer hinzu, ein erfahrener Manager mit verschiedenen Stationen im Maschinen- und Anlagenbau. Bei einem Treffen in Dresden beschloss man bei sächsischem Sauerbraten, das Projekt wiederzubeleben, eine Firma zu gründen und in größerem Stil in Produktion und Vertrieb einzusteigen.
Von Sachsen ins Ruhrgebiet
Doch was hat Novihum von Sachsen ins Ruhrgebiet verschlagen? Es war die Suche nach einem geeigneten Standort für die Pilotanlage. Dabei gab es Unterstützung sowohl von der NRW Bank als auch der Stadt Dortmund, die darauf aus ist, junge Unternehmen im Hafengelände anzusiedeln. „Für unsere Anlage brauchten wir ein Gebäude sowie idealerweise die passende Infrastruktur eines Chemieunternehmens, das uns mit Strom, Dampf und Kühlwasser versorgt“, erläutert Ninnemann. Und reichlich hochwertige Braunkohle gibt es schließlich auch in den nicht weit entfernt gelegenen RWE-Abbaugebieten im rheinischen Revier.
Inzwischen arbeiten gut zwei Dutzend Mitarbeiter für Novihum. „Und beinahe täglich werden es mehr, derzeit vor allem im Vertrieb.“ Wie Ninnemann beschreibt, bedarf es normalerweise rund hundert Kilogramm organischer Pflanzenabfälle wie beispielsweise Ernterückstände, damit über viele Jahre hinweg durch Zersetzung in der Natur ein Kilo Dauerhumus entsteht. Bei dem Novihum-Verfahren hingegen wird innerhalb weniger Stunden aus einem Kilogramm Braunkohle durch Umwandlung mit Ammoniak und Sauerstoff etwas mehr als ein Kilogramm Granulat. „Das ist der Charme der Technologie: Bei uns wird der wertvolle Rohstoff Braunkohle nicht verbrannt, sondern stofflich, also für ein neues Produkt genutzt.“ Die Produktion sieht aus wie eine übliche Chemieanlage, nur etwas kleiner: jede Menge Kessel, Rohrleitungen und Armaturen. Die derzeitige Kapazität beträgt tausend Tonnen im Jahr. „Mit dieser Pilotanlage können wir zeigen, dass unsere Technologie wirtschaftlich darstellbar ist. Die Kapazität genügt aber eben auch, um den Markt für die neue Produktkategorie zu entwickeln.“ Ninnemann ist als „CTO“ sozusagen das Gehirn hinter der Technologie, die er gemeinsam mit seiner Mannschaft weiterentwickelt und optimiert. Die Rolle seines Gründungspartners Langer als CEO hat Anfang 2017 André Moreira, ebenfalls von Hause aus Physiker, übernommen. Bisher arbeitet Novihum unter anderem mit Kommunen zusammen, die Lösungen für die meist stark in Mitleidenschaft gezogenen Stadtbäume suchen. Als weitere Kunden kommen der Obst-, Gemüse- oder Zierpflanzenbau oder auch die Landwirtschaft in Frage. Das Granulat kann bei Dachbegrünungen ebenso förderlich sein wie bei der Rekultivierung von Halden oder Tagebaustätten, erklärt Ninnemann.
Die Pilotanlage soll zum einen zeigen, dass Technologie und Produktionsverfahren funktionieren. Zum anderen soll sie das Knowhow für die geplante nächstgrößere und optimierte Anlage bereitstellen, nämlich eine mit 10.000 Tonnen Kapazität. Und auch wenn dies noch Zukunftsmusik ist: Aber warum sollte sich die Technik nicht für die Veredelung und alternative Nutzung der heimischen Braunkohle im großen Stil anbieten, fragt Ninnemann. Die Wagniskapitalgeber vertrauen jedenfalls dem Geschäftsmodell. So sind neben Munich Venture Partners inzwischen auch die NRW Bank und weitere Investoren beteiligt.