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Gründen mit Gemeinschaftssinn : Versicherung geht auch ohne Makler

Alles digital und zum Mitbestimmen: So funktioniert die neue Versicherung von Claudia Lang und Stefan Keck. Bild: Setzer, Claus

Bei der Community Life soll der Kunde seine Versicherungsleistung mitbestimmen. Damit krempelt ein Ehepaar aus dem Taunus die Idee der Versicherung um. Die Geschichte ihrer Unternehmensgründung hat auch eine private Seite.

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          Claudia Lang hat sich ihren Ehemann einiges kosten lassen, und das Geld war offenbar gut angelegt: Langfristig hat sich das Investment sowohl privat als auch geschäftlich für sie ausgezahlt. 137 Millionen Euro zahlte der Versicherer Canada Life im Jahr 2007 für das Deutschland-Geschäft der britischen Prudential. So übernahm Claudia Lang als Vorstandsmitglied auch Stefan Keck, der insgesamt knapp ein Jahrzehnt lang Vertriebsleiter für das Maklergeschäft war. Und als ihre Kollegen überlegten, wer für die Integrationsaufgabe von Irland nach Frankfurt wechseln könnte, hob Lang den Finger. Denn als Tochter deutscher Auswanderer nach Kanada konnte sie ihren damals zwei (heute drei) Kindern nur deutsche Grundkenntnisse, aber keine zweite Muttersprache bieten.

          Philipp Krohn
          Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Menschen und Wirtschaft“.

          „Ich sagte: ,Ich! Dann lernen meine Kinder wenigstens richtig Deutsch‘“, erzählt sie. Nachdem sie sich beruflich näherkamen, wurden Lang und Keck (der ebenfalls zwei Kinder in die Ehe mitbringt) irgendwann auch privat ein Paar. „Das hat die Integration auf neue Höhen geführt“, scherzt Lang. Gemeinsam haben sie in der Zeit bei der Canada Life ein völlig neues Verständnis von Versicherungen entwickelt. Keck erlebte, wie Kunden mit Hilfe des Internets immer besser informiert zu ihren Vermittlern kamen und die Abschlüsse immer länger dauerten. Lang erlebte als Abgesandte nach Brüssel, wie Abgeordnete die Finanzdienstleister mit ihren Vorbehalten begegneten. „Ein irischer Abgeordneter sagte zu uns, wir seien alle Kriminelle. Ich versuchte zu verstehen, warum sie so dachten“, sagt Lang.

          Alle Kritikpunkte, die öffentlich gegen Versicherer erhoben werden, hat sie auf sich wirken lassen: dass sie provisionsgetrieben seien, dass sie im Schadensfall nicht richtig unterstützten, dass ihre Produkte intransparent seien. Als Verantwortliche der Beschwerdeabteilung hatte sie zudem Einblick in die Korrespondenz mit Kunden. „Oft sind die Kunden nicht gegen etwas versichert, aber traurig, wenn sie dann keinen Schutz haben“, sagt sie. All diese Erfahrung des Ehepaars ging in eine neue Geschäftsidee ein. „Unser Ziel ist die volle Transparenz für den Kunden“, sagt Keck. Was die beiden Gründer im Sinn haben, ist ein vollständig digitalisierter Versicherungsbetrieb. Der Kunde soll von der Antragstellung über den Bankeinzug bis hin zur Schadenbetreuung und zur Entscheidung, wie die Überschüsse des Unternehmens verwendet werden sollen (zum Beispiel für karitative Zwecke), alles bequem zu Hause am Rechner oder unterwegs am Smartphone erledigen.

          IT aus Südafrika

          Ein Besuch in der Unternehmenszentrale in Kelkheim bei Frankfurt zeigt, wie weit die beiden Gründer mit ihrer Idee inzwischen schon sind. Auf der Büroetage saßen früher zwei Anwaltskanzleien. Noch kann man hier alle Mitarbeiter per Handschlag begrüßen. 15 Versicherungsfachleute haben sie eingestellt, sieben externe Kräfte kümmern sich von Südafrika aus um die IT. Für Außenstehende hört sich das Projekt gar nicht so spektakulär an. Von Amazon sind sie gewohnt, über Nacht mit Büchern und DVDs beliefert zu werden. Von Zalando kennen sie es, Schuhe per Klick zu bestellen und kurze Zeit später den Karton zu öffnen. Doch ein Versicherer mit seiner über Jahrzehnte gewachsenen Informationstechnik braucht oft schon für eine Kontoänderung eine Woche und verlangt dem Kunden einige Mühen ab. „Nehmen Sie den Fall an, dass ein Kunde heiratet und seinen Namen ändert“, sagt Keck. „Normalerweise bittet der Versicherer ihn, eine beglaubigte Heiratsurkunde zu schicken. Bei uns scannt er sie ab und lädt sie in den Passwort-geschützten Bereich hoch.“

          Zudem hat die Auseinandersetzung mit dem Verbraucherschutz die Community Life Einwände von Bedenkenträgern wegwischen lassen. „Sie sind in Sorge, dass jemand das Bezugsrecht der Versicherung an seinem Ehepartner vorbei ändern könnte“, sagt Lang. „Aber wir können doch nicht den normalen Prozess mit solchen Sonderfällen belasten.“In ihrem Besprechungsraum hängt ein selbstgemaltes Gemälde, auf dem eine grüne Welle über die „Old Insurance Industry“ hinwegspült. Die Macher von Community Life sind bekennende Vertreter der neuen Fintech-Welt. Doch sie sind längst im Establishment der Branche angekommen und haben den jugendlichen Leichtsinn, der manchen jungen Gründer in der momentan recht lebendigen Szene antreibt, längst abgelegt.

          Ihr Unternehmen konzipiert als Assekuradeur zwar die Policen und hält den Kontakt zum Kunden, als Risikoträger gewann es aber mit Ipti-Q eine Tochtergesellschaft des Rückversicherers Swiss Re. In einer Marktstudie über die erfolgversprechendsten Neugründungen kam eine Unternehmensberatung dennoch zu dem Ergebnis, von der Community Life gehe wahrscheinlich keine markterschütternde Wirkung aus.

          Eine interaktive Gemeinschaft aufbauen

          Das sehen Claudia Lang und Stefan Keck naturgemäß ganz anders. In wenigen Jahren wollen sie für ihre Produkte - Risikolebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen - einen Marktanteil von 5 bis 7 Prozent erreichen. Sollte das gelingen, ließe sich durchaus von Disruption sprechen. Immerhin gestehen Fachleute ihnen zu, dass sie mit ihrem Modell zu einem interessanten Übernahmekandidaten für etablierte Versicherer werden könnten.

          Doch Lang und Keck steht nach anderem der Sinn. Sie wollen eine interaktive Versichertengemeinschaft aufbauen (daher der Name: Community Life), die künftig auch im Dialog eigene Deckungsmodelle entwirft. Anders als ein erfolgreicher Maklerbetrieb, der seine Marktmacht nutzt, um für sich günstige Konditionen beim Versicherer durchzusetzen, wollen die beiden Gründer für den Kunden das Beste herausholen. „Wir drehen das um: Wir bündeln die Kaufkraft, und der Vorteil landet beim Kunden“, sagt Lang. Schnell wird offensichtlich, dass den beiden erfahrenen Managern mit der Community Life mehr als ein paar digitale Gimmicks eingefallen sind. Ihr Ansatz könnte eine Rückkehr zu den Wurzeln der Idee des Versicherns anstoßen.

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