Zwei Ingenieure als Gründer : Ein europäisches Tankstellennetz für Elektroautos
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Friedrich Vogel (rechts) und Franz Schodl Bild: Jacqueline Godany
Die bisher nur wenigen Ladestationen halten viele Kunden vom Kauf eines Elektroautos ab. Das will Enio schnell ändern - dafür hatten zwei Ingenieure eine gute Idee. Wie sie daraus ganz schnell eine Firma machten.
Eine Million Elektroautos möchte die Bundesregierung bis zum Jahr 2020 auf deutsche Straßen bringen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel will dafür mit einem Zwei-Milliarden-Euro-Programm sorgen. Die Summe soll in Kaufprämien sowie in einen schnellen Ausbau von Ladesäulen fließen. Das werden die beiden österreichischen Unternehmer Fritz Vogel und Franz Schodl gern hören. Denn ihr IT-Dienstleistungs-Start-up „Enio“ (www.enio.at) vernetzt von Wien aus ein europaweites Ladestellensystem für Elektroautos von bislang mehr als 2000 Anlaufstellen. In den nächsten Jahren soll diese Zahl auf 90.000 gesteigert werden.
Die Enio GmbH, im Oktober 2013 gegründet und seit Anfang 2014 operativ tätig, wird inzwischen als Unternehmen mit zwei Millionen Euro bewertet. „Wir sind erfahrene Jungunternehmer“, sagt der 59 Jahre alte Fritz Vogel. „Schon vor 25 Jahren hat mein Kompagnon Franz Schodl, Jahrgang 1953 und Doktor der Elektrotechnik, die PDTS, ein erfolgreiches IT-Unternehmen für Kommunikationstechnologie mit mittlerweile 80 Mitarbeitern, gegründet. Mit der Energieverrechnung dislozierter Systeme sowie der E-Mobilitäts-Infrastruktur beschäftigt er sich seit 2008.“
Elektromobilisten und erneuerbare Energieproduktion online zusammenbringen
Vogel selbst arbeitete nach seiner technischen Ausbildung in Regeltechnik und einem BWL-Studium lange Jahre im Vertrieb, Marketing und Vorstand mittelständischer Unternehmen. Seit 2009 kümmert auch er sich um das Thema Elektromobilität. Mit sichtbarem Erfolg: 2011 erhielt er für ein Infrastruktur-Projekt zur E-Mobilität den Österreichischen Staatspreis. Zwei Jahre später riefen die beiden Ingenieure ihre Firma Enio (abgekürzt für: Energy in operation) ins Leben. Sie teilen sich dort Eigentum und Geschäftsführung.
Das Unternehmen mit 13 Mitarbeitern hat seinen Sitz in der Wiener Geyschlägergasse. Sein Umsatz lag 2015 bei einer Million Euro. Das Geld wird mit Aufbau, Steuerung und Verrechnung vernetzter Ladestellen verdient. Vogel und Schodl sehen in der Elektromobilität einen wesentlichen Beitrag zur Lösung von Umwelt- und Gesundheitsproblemen. Für einen Massenmarkt fehlt aber eine tragfähige Infrastruktur. „Ähnlich wie die ersten Automobile, die wie Kutschen ausgeschaut haben, versucht man heute im Infrastrukturbereich für Elektrofahrzeuge das Tankstellenmodell nachzubilden“, sagt Vogel. „Dieses Konzept wird aber weder für den Benutzer noch für die Energiepolitik funktionieren. Es kann sogar den Erfolg der Elektromobilität gefährden.“
Vogel und Schodl wollen deshalb Elektromobilisten und erneuerbare Energieproduktion in einer für beide gewinnbringenden Situation online zusammenbringen. Dazu vernetzten sie als Erstes auf ihrer Firmen-Homepage vorhandene E-Ladestellen von Unternehmen mit Ladestellenbetrieb. Fahrer von Batterieautos finden und buchen seitdem über das Portal kostenlos freie Ladepunkte. Um weiter zu wachsen, wird das Unternehmen noch in diesem Jahr ein Ladestellen-Sharing einführen. Über die neue Marke „youCharge“ kann künftig jeder auch seine private Ladestelle, so sie öffentlich zugänglich ist, kostenpflichtig von anderen nutzen lassen. Enio übernimmt die Vermarktung und Abrechnung.
Zwei Pläne zusammengelegt
Das Unternehmen betrachtet „youCharge“ als Chance zu vernünftigem Energiemanagement: „Mit diesem System werden E-Fahrzeuge vorzugsweise dann laden, wenn erneuerbare Energie zur Verfügung steht und der Energiepreis günstig ist“, sagt Vogel. „Damit steigen Absatzmöglichkeiten wie Effizienz der erneuerbaren Energien, und das Problem der hohen Volatilität von Wind- und Sonnenenergie wird gelöst.“
Vogel erzählt, dass er und Schodl beiderseits vorhandene Pläne zur Firmengründung nur noch zusammenlegen mussten. Den Start erleichterte, dass sie forschungsintensive, zum Teil staatlich geförderte Entwicklungen aus den Vorunternehmen „everynear“ und PDTS aufkauften: „Dadurch konnten wir einen ,Jumpstart‘ realisieren, der uns schnell solide Umsätze brachte.“ Mit Ausnahme eines relativ rasch zurückzahlbaren Darlehens über 100.000 Euro aus dem Bekanntenkreis von Schodl wurde aus eigenen Mitteln finanziert. Für ihr geplantes Ladestellenkonzept „youCharge“ sammeln Vogel und Schodl momentan fremdes Geld per Crowdfunding ein. Seit dem 1. Februar haben sich 324 Anleger mit insgesamt 118.165 Euro an der Kampagne über die Online-Plattform Companisto beteiligt. Die Investmentschwelle von 100.000 Euro ist damit erreicht. Für die angestrebte Summe von 500.000 Euro als Maximum bleiben noch 48 Tage Zeit.
Bislang liegt der Schwerpunkt der von Enio gemanagten Ladestellen mit 1800 in Skandinavien, gefolgt von 500 im deutschsprachigen Raum sowie ersten Kristallisationspunkten in Slowenien, Kroatien und Italien. youCharge könnte diese Zahlen vervielfachen. Denn die relativ geringe Investition in einen Ladepunkt und dessen Nutzbarmachung für andere soll schnell ein dichtes Netz an Ladestellen entstehen lassen. Für Kauf und Installation einer privaten Ladestelle an der eigenen Hauswand veranschlagt Enio rund 1300 Euro, für die Betriebskosten jährlich nochmals etwa 150 Euro. Bei guter Lage kann eine Ladestelle in zwölf Monaten 300 bis 400 Euro Nettoertrag bringen. An Vermarktung und Abrechnung verdient Enio in dieser Zeit 100 Euro. Bei großen Stückzahlen ein interessantes Geschäft. Vor allem in Deutschland rechnen die Wiener Gründer mit einem raschen Zuwachs der Elektromobilität: „Einen extremen Anschub werden neue Fahrzeuge mit 300 Kilometer Reichweite im Mittelklassesegment bringen. Der deutsche Markt wird damit für uns zum Hauptmarkt.“