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Gründerserie : Firstwire sagt Banken den Kampf an

Michael Dreiner (hinten links) und Johannes Haidl Bild: Edgar Schoepal

Auch alte Hasen können Fintech. Die Gründer von Firstwire haben lange für Banken gearbeitet. Nun wollen sie Unternehmen und Kommunen von ihrem digitalen Kreditmarkt überzeugen.

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          Der Standort passt zu einem Fintech-Unternehmen: eine Fabrikhalle im rustikalen Kölner Stadtteil Mülheim. Doch die Gründer von Firstwire, einem nach eigenen Angaben digitalen Marktplatz für Kredite, erinnern nicht an die klassischen Start-up-Unternehmer. Michael Dreiner, Johannes Haidl und Jens Michael Otte haben die Altersschwelle von 40 Jahren mehr oder weniger deutlich überschritten, und sie blicken auf Jahrzehnte an Erfahrung in Banken zurück. Der jüngste der vier Gründer, Friedhelm Andreas Schmitt (33 Jahre), ist für die Technologie zuständig und entwickelt mit seinem anderen Unternehmen Fincite Softwarelösungen für die Finanzbranche.

          Markus Frühauf
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Auch wenn die Fabrikhalle und die legere Kleidung der Unternehmensgründer die für die Fintech-Szene typische Aufbruchstimmung vermittelt: Firstwire wendet sich an eine Klientel, die bislang auf die Expertise von Banken, oftmals von Investmentbanken angewiesen war. „Wir sind nicht die typischen Start-up-Gründer, wir sind keine ehemaligen Fahrradkuriere mit Kuhfelltaschen“, bringt es Haidl auf den Punkt. Schmitt fügt hinzu, dass sich Firstwire an Kunden aus Banken, Versicherern, Kommunen und Unternehmen orientiert. Berliner Fintechs hätten dagegen den Endkunden mit verbrauchernahen Angeboten im Blick.

          Firstwire will also in die Vermittlung von Krediten für Kommunen und Unternehmen eindringen. Als „Möglichmacher“ beschreibt Dreiner die Rolle von Firstwire. Denn auf der Plattform sollen Schuldner und Investoren zusammengebracht werden. Dadurch würde die Vermittlerrolle der Banken ausgeschaltet. Der Kreditnehmer müsste dann an Firstwire eine Gebühr entrichten. Sollten schon bestehende Kredite oder Schuldscheine über Firstwire angeboten werden, müsste dann der Verkäufer dieser Tranchen oder Titel eine Provision entrichten. Haidl betont, dass aufgrund der geringen Kosten des Marktplatzes die Konditionen in jedem Fall wettbewerbsfähig ausfallen werden.

          „Der Kunde erhält zum ersten Mal vollkommene Transparenz“

          Um das Geschäftsmodell von Firstwire zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, wie die klassische Rolle der Banken im Kreditgeschäft für Unternehmen und Kommunen aussieht. Das an einer Finanzierung interessierte Unternehmen tritt in der Regel an seine Bank heran, deren Mitarbeiter sprechen dann mögliche Investoren an, wenn nicht der gesamte Kredit auf die Bilanz genommen werden soll. Das ist aber aufgrund der strengeren Kapitalvorgaben der Aufsichtsbehörden nicht mehr so möglich wie in den Jahren vor der Finanzkrise. Denn Eigenkapital ist knapp, entsprechend geringer sind die Kreditvergabekapazitäten der Banken.

          Das Problem an der Vermittlerrolle der Banken liegt darin: Die Bank sitzt auf den Informationen, die Transaktion verläuft deshalb sowohl für den Kreditnehmer als auch für den Kreditgeber intransparent. „Genau genommen, ist eine moderne Bank ein Informationspool. Die Bank handelt mit diesen Informationen“, sagt Dreiner. Er weiß, wovon er spricht, weil er in dieser Rolle neun Jahre lang für die Investmentbank Goldman Sachs institutionelle Investoren beraten hat. Seinen Worten zufolge besteht der Vorteil für den Schuldner darin, dass er auf der Firstwire-Plattform mit den Investoren in direkte Verhandlungen treten kann. „Der Kunde erhält zum ersten Mal vollkommene Transparenz über die Preisfindung und Gebühren seines Kredites“, ergänzt Haidl. Die Zeit der intransparenten Prozesse soll mit Firstwire vorbei sein, werben die Gründer.

          Denn bislang kontrolliert die vermittelnde Bank die Informationen über die Preisvorstellungen von Schuldner und Gläubiger. Dem früheren Investmentbanker Haidl gefällt der Vergleich von Firstwire mit einer Handelsplattform weniger. Er zieht stattdessen den Begriff „digitaler Marktplatz“ vor. Er versteht Firstwire eher als Netzwerk für institutionelle Kunden. „Der Kapitalmarkt wird digital“, fügt Dreiner hinzu.

          Transaktionsgrößen im mittleren einstelligen Millionenbereich

          Bislang ist über Firstwire erst eine Transaktion gelaufen: Die Stadt Essen nahm einen Kredit über 5 Millionen Euro auf und war mit dem Ergebnis zufrieden, wie einem Bericht der Fachzeitschrift „Der Neue Kämmerer“ zu entnehmen ist. Zugang zu den Kommunen verschafft der Firstwire-Gründer Otte, der für die Deutsche Bank knapp drei Jahrzehnte tätig war und zuletzt das Geschäft mit der öffentlichen Hand verantwortete.

          Im kommenden Jahr will Firstwire richtig an den Start gehen. Haidl und Dreiner berichten schon über eine sehr hohe Resonanz unter Versicherern sowie Banken. Denn Sparkassen oder Volks- und Raiffeisenbanken sind oft an Krediten aus anderen Regionen interessiert, da sie als Regionalinstitute in der Regel Klumpenrisiken der in ihrem Geschäftsgebiet ansässigen Unternehmen aufweisen. So können sie ihre Kreditrisiken über Branchen und Regionen besser streuen. „Wir sind glücklich, schon Banken unter unseren Kunden zu haben“, berichtet Dreiner. Auch die großen Versicherer zeigten Interesse, ebenso einige namhafte Unternehmen.

          Die typischen Transaktionsgrößen beginnen laut Dreiner im mittleren einstelligen Millionenbereich. Die Laufzeiten liegen im Regelfall zwischen fünf und 30 Jahren. Gegenwärtig arbeiten für Firstwire 15 Personen. In den kommenden Jahren soll die Zahl der Mitarbeiter aufgestockt werden. Der Schwerpunkt liegt auf der Stärkung des Vertriebs. Auch eine internationale Expansion soll schrittweise erfolgen, zunächst wird hier an die Benelux-Länder gedacht.

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