Gründerserie : Der Dortmunder Bier-Rebell
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Thomas Raphael Bild: Edgar Schoepal
Thomas Raphael hat eine alte Dortmunder Biermarke wiederbelebt. Das hat ihm in der Stadt einen kleinen Heldenstatus verschafft. Bald öffnet seine neue Brauerei neben einem alten Hochofen.
Es war anfangs nur ein zufälliger Fund: Aus Langweile stöberte Thomas Raphael im Sommer 2005 in einer Datenbank und stieß dabei auf die herrenlose Biermarke Bergmann. Die alte Dortmunder Brauerei gab es schon lange nicht mehr, die Eigentümer hatten sie 1972 geschlossen, irgendwann waren die Markenrechte erloschen. Raphael griff zum Schnäppchenpreis von 300 Euro zu, viel könne da nicht schiefgehen, dachte er. Die Marke kannte Raphael, weil er Mitte der 70er Jahre selbst einmal auf dem Flohmarkt einen alten Bierkrug mit dem Bergmann-Logo erworben hatte, der noch heute in seinem Küchenschrank steht. Außerdem hatte ein Bekannter von ihm zuvor einmal ganz ähnlich die Markenrechte an einer alten amerikanischen Motorradmarke erworben und sie nach einiger Zeit für viel Geld weiterverkauft – das hatte Raphael neugierig gemacht.
Aber da war noch etwas anderes: Bier steht ganz häufig auch für Heimat. Die alte Marke erinnerte ihn an die große Biertradition der Stadt. Dortmund war einst die Bierhauptstadt Europas, berühmt für seine Sorte Export. „Mit diesem Bewusstsein bin ich als Schüler aufgewachsen“, sagt Raphael. In der Blütezeit der Stadt gehörten Bier und Maloche einfach zusammen. Die harte, schweißtreibende Arbeit in den Zechen und Hochöfen machte durstig, das kühle Bier nach Feierabend gehörte für viele Arbeiter selbstverständlich dazu. In der Nachkriegszeit bestimmten hier fünf große Brauereien den Markt: Union, DAB, Ritter, Stifts und Hansa. Neben diesen fünf großen gab es die drei kleinen Privatbrauereien Thier, Kronen und Bergmann.
Zeitgleich mit dem Niedergang der Stahlindustrie gerieten auch die Dortmunder Brauereien in Schwierigkeiten, obwohl es dafür laut Raphael andere Gründe gab. Exportbier kam plötzlich aus der Mode, die Leute wollten lieber Pils trinken. Während die sauerländischen Pilsmarken Veltins und Warsteiner damals aufstiegen, begann in Dortmund die große Übernahmewelle, der eine schluckte den anderen, alle verloren dabei ihre Eigenständigkeit, bis am Ende nur noch der Pudding-Konzern Dr. Oetker mit seiner Radeberger-Brauerei-Gruppe übrig blieb. Heute werden alle obengenannten Marken – außer Bergmann – von der Radeberger-Gruppe in der Dortmunder Steigerstraße gebraut. Die alten Brauereien sind verschwunden, wer durch die Stadt fährt, kann noch sehen, wie manch altes Brauereigebäude verfällt. Geblieben ist neben der Großbrauerei das weithin sichtbare Dortmunder „U“, früher das Firmenzeichen der Dortmunder Union Brauerei, heute ein Wahrzeichen der Stadt.
Nostalgie und Neues
Nostalgie stand also am Anfang, aber Raphael machte etwas Neues daraus. Weil Markenrechte verfallen, wenn man sie mehrere Jahre nicht nutzt, ließ Raphael zunächst testweise von einer Brauerei eine kleine Menge Exportbier brauen und abfüllen, etikettierte die Flaschen mit seinem Logo und brachte sie in seinem Freundeskreis in Umlauf, einen Teil verkaufte er auch. Das neue alte Bier kam so gut an, dass er das Fremdbrauen mehrmals wiederholte, bis er sich gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Herbert Prigge irgendwann entschloss, selbst eine ganz kleine Brauerei in einem alten Lagerhaus im Dortmunder Hafen aufzubauen. Von der lokalen Presse wurde er dafür gefeiert: „Alle haben sich gefreut, dass es in Dortmund endlich wieder eine kleine Privatbrauerei gibt“, sagt Raphael: „Wir waren plötzlich die local heroes“.