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Gründerserie : Die Zellen-Drucker

  • -Aktualisiert am

Die Gründer: Benjamin Steimle, Andre Gross und Jonas Schöndube (von links) Bild: Fabian Fiechter

Es ist eine erstaunliche Erfolgsgeschichte eines jungen Trios: Sie haben ein Gerät erfunden, das Körperzellen druckt - es soll im Kampf gegen Krebs und andere schwere Krankheiten helfen.

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          So ist das, wenn man sich mit wissenschaftlichen Überfliegern einlässt. Er müsse sich von seinen Partnern einiges anhören, sagt Benjamin Steimle grinsend. Nur weil die beiden einen Doktortitel mitgebracht haben, als sie in Freiburg die Cytena GmbH gegründet haben – und er eben nicht. Der kleine Seitenhieb mündet in eine freundliche Frotzelei, denn dass das Trio bestens harmoniert, ist mit Händen zu greifen. Es hat sich auf dem Gelände der Technischen Fakultät, in Nachbarschaft zum Institut für Mikrosystemtechnik (Imtek) der Universität Freiburg, einen Selbstverwirklichungsraum mit Büros und Werkstatt geschaffen, in dem die Gleichgesinnten und Gleichaltrigen – alle sind zwischen Anfang und Mitte 30 – eine erstaunliche Erfolgsgeschichte hingelegt haben. Auch das schweißt zusammen. Cytena – 20 Beschäftigte, 13 in Vollzeit – druckt Körperzellen und leistet damit eine wichtige Vorarbeit zur Entwicklung neuer Medikamente gegen schwere Krankheiten. Das junge Unternehmen hat sich seit seiner Gründung im Jahr 2014 in einer von Pharma- und Biotechnologiekonzernen dominierten Branche einen Namen gemacht.

          Uwe Marx
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Es ist inzwischen sogar so, dass die Großen die Nähe zu dieser Ausgründung der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität suchen. Der sogenannte Einzelzelldrucker von Cytena – das Herzstück des Unternehmens – ist schon von sechs der zehn größten Pharmaunternehmen der Welt gekauft worden, darunter Novartis, der Kunde Nummer eins aus dem nahen Basel, und Bayer. „Auch als kleines Unternehmen kann man auf unserem Gebiet gegen die großen Konzerne bestehen“, sagt Steimle. „Die pumpen nicht so viel Geld in diese Art der Entwicklung.“ Steimle wurde nach dem VWL-Studium in Freiburg und Basel und nach der Arbeit bei einer Bank an Finanzierungsstrategien für Start-ups zum Mitgründer von Cytena. Unter anderem beschaffte er 2015 rund eine Million Euro vom High-Tech Gründerfonds und einem privaten Investor. Was Cytena aber vor allem in seinen Zelldrucker pumpte, waren Geduld und eine über Jahre gewachsene technische Expertise. Ausgangspunkt war ein von der EU finanziertes Forschungsprojekt.

          Schöndube – er studierte in Zürich Maschinenbau und setzte den Master Mikro- und Nanosysteme obendrauf – und Gross als Spross der Freiburger Mikrosystemtechnik haben sich schon in ihren Doktorarbeiten mit der Isolierung von Körperzellen beschäftigt. Sie ist heute das Geschäftsmodell von Cytena. Ein weiterer Freiburger Imtek-Wissenschaftler, Peter Koltay, gilt als Erfinder des Zelldruckers, er zog aber die wissenschaftliche Arbeit einer unternehmerischen vor. „Es gibt Unternehmen, die in eine ähnliche Richtung entwickelt haben wie wir“, sagt Schöndube. „Aber wir waren sehr früh dran.“ Und Gross ergänzt: „Oft stauben Ideen für neue Technologien ein, wenn Studenten oder Doktoranden ihre Arbeiten abgeben und nicht weiter daran forschen. Das wäre in unserem Fall natürlich blöd gewesen.“

          Neue Medikamente gegen Krebs entwickeln

          Das Ergebnis dieser frühen Forschung ist ein Gerät, von dem es 2011 einen ersten Prototypen gab, und das zuverlässig einzelne Zellen aus Zellkulturen isolieren kann – eine wichtige Voraussetzung, um neue Wirkstoffe, Medikamente oder Therapien zu entwickeln. Cytena liefert Kunden, darunter auch viele Mittelständler, die Drucker genannten Laborgeräte und dazu kleine, leere Kartuschen, gewissermaßen die Druckerpatronen. Mikrochip inklusive. Es ist nämlich nicht nur Feinmechanik im Spiel, sondern auch reichlich Programmierarbeit.

          Beides ermöglicht es, in hoher Geschwindigkeit aus Zellkulturen einzelne Tropfen mit einem Durchmesser von etwa 0,05 Millimeter zu isolieren, in denen jeweils nur eine einzelne Zelle steckt, die wiederum 0,015 Millimeter misst. Kameras lokalisieren die Zellen, es gibt einen Bildnachweis für jede einzelne Zelle. Und eine von Cytena entwickelte Software berechnet die Zellbewegungen. Anderswo hingegen wird Zellvereinzelung oft noch per Verdünnung von Proben und Wahrscheinlichkeitsrechnung oder per Filigranarbeit am Mikroskop betrieben.

          Dass Einzelzellen separiert werden, ist essentiell für klinische Zulassungsverfahren und die Forschung – die in neue Medikamente etwa gegen Krebs oder Immunerkrankungen sowie in Fortschritte in der Stammzellentherapie münden kann. Es gehe um die Entwicklung von Zelllinien und um sogenannte Klonalität – um die Gewissheit, dass alle Zellen einer Zellkultur auf eine Ursprungszelle zurückgehen. Dass dabei mit einzelnen winzig kleinen Tropfen gearbeitet wird, lieferte die Vorlage zum Begriff Zelldrucker. Schließlich würden auch beim Tintenstrahldrucker einzelne Tropfen ausgestoßen.

          Zelldrucker kostet so viel wie „ein schönes Auto“

          Einige Dutzend Geräte hat Cytena inzwischen verkauft, einige Kunden hätten wegen der guten Erfahrungen schon nachbestellt. Das Trio ist hinsichtlich konkreter Zahlen zwar zurückhaltend, aber Steimle sagt immerhin, dass ein Zelldrucker in etwa so viel koste „wie ein schönes Auto“. Zuletzt wurde mit dem amerikanischen Unternehmen Molecular Devices eine Vertriebskooperation für die Vereinigten Staaten und Kanada abgeschlossen – ein weiterer Meilenstein für das Freiburger Start-up. „Wir haben zuletzt den Umsatz zweimal verdoppelt und wissen, dass das nicht so weitergehen kann“, sagt Schöndube. Steimle ergänzt, dass die Nachfrage ohnehin nicht das Problem sei, eher schon die Produktionsseite. „Wir wollen hier aber keine eigene Produktion aufbauen“, sagt er, „sondern das Unternehmen schlank halten. Wir haben ein Netzwerk an Zulieferern und lassen nur in Deutschland produzieren.“

          Verändern wird sich das Unternehmen so oder so. Demnächst ist auf dem Gelände der Technischen Fakultät ein Umzug geplant. Cytena braucht mehr Platz. Eine andere Umgebung allerdings nicht. Dass sie hier in Freiburg gut aufgehoben und an einem der besten Forschungsstandorte Deutschlands zu Hause sind, verdeutlicht ein Vergleich: Anderswo gebe es für Mikrosystemtechnik allenfalls eine Handvoll Professuren – hier sind es mehr als zwanzig.

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