Akademischer Mittelbau : Die Fristen der Forschung
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Protest gegen Kettenverträge am Brandenburger Tor Bild: KAY HERSCHELMANN
Der akademische Mittelbau bildet das Rückgrat von Forschung und Lehre. Um sein Potential auszuschöpfen, darf man ihn nicht von Projekt zu Projekt schicken, sondern muss ihn langfristig fördern.
Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten: So lässt sich kurz die Geschichte des Wissenschaftszeitvertrags-Gesetzes umreißen. 2007 erlassen, um Kettenverträge zu unterbinden, versperrt es erfahrenen Wissenschaftlern nun, wie Albrecht Koschorke in der F.A.Z. vom 15. Mai meinte, den Zugang zur Universität. Koschorke spricht gar von einem faktischen „Berufsverbot“.
Seine Stellungnahme suggeriert, dass die Vorgaben für Kettenverträge, welche die Reform des Gesetzes 2015 brachte, mit den Erfordernissen des deutschen Wissenschaftsbetriebs gänzlich inkompatibel seien. Zur Erinnerung: 180 000 Wissenschaftler hangeln sich an deutschen Universitäten von Vertrag zu Vertrag, nicht selten mit Fristen von zwei Jahren oder weniger. Die Novelle von 2015 schreibt vor, Befristungen an das Qualifikationsziel, beispielsweise eine Doktorarbeit, zu binden. Sie begrenzt damit nur die Exzesse eines überhitzten Systems, wird in der Praxis aber, wie Koschorke zu Recht bemerkt, zunehmend prohibitiv angewendet.
Die Forderung nach Entfristungen im „Mittelbau“, wie sie die Initiative „Frist ist Frust“ vorbringt, hält Koschorke nun pauschal für „bemerkenswert“, soll heißen: ungut. Denn sie gehe mit keinem Aufwuchs an Grundmitteln einher und führe zur Debatte von vor dreißig Jahren zurück, als eine „Gruppe still ergrauender akademischer Räte“ die erschlaffte Forschung deutscher Universitäten symbolisiert habe. Forschung aber finde heute zu großem Teil in Projektkarrieren statt, mit „fluidem“ Personal, das materiell und institutionell abgesichert werden müsse. Mit welchen Mitteln, das verrät Koschorke nicht.
Logiken des Marktes
In der Tat rütteln der erneuerte Hochschulpakt und der „Zukunftsvertrag“ nicht an der Verteilung der Finanzmittel. Doch lässt sich dies kaum auf die Kritik an der Befristungssituation zurückführen. Sie stellt ja einen Versuch dar, die strategische Ausrichtung der Wissenschaftspolitik neu zu verhandeln. Wenn dies bislang nur in positiven Absichtsbekundungen mündete, dann liegt das auch an gewissen Inkonsistenzen im wissenschaftspolitischen Denken. Koschorke führt es vor, wenn er die Logiken der „Exzellenz“ den Logiken der „Verbeamtung“ gegenüberstellt. Er bedient damit die hochschulpolitische Metaphorik der neunziger Jahre, als „Exzellenz“ für innovative Forschung und „Verbeamtung“ für dozierende Behäbigkeit standen.
Die Situation an deutschen Hochschulen hat sich jedoch gewandelt. Exzellenzinitiative und Hochschulrahmengesetz haben die Bundesrepublik nämlich längst zu dem kompetitiven Forschungsstandort gemacht, der sie werden sollte. Folge dieses Wandels ist, dass der sogenannte Mittelbau, ob drittmittelfinanziert oder auf befristeten Planstellen, heute den Großteil der Forschung leistet, auf der die Wissensakkumulation beruht. Professorinnen und Professoren sind (auch) damit beschäftigt, zu managen, zu projektieren, zu begutachten. Ihre mediale Sichtbarkeit bei der Wissenschaftsvermittlung hat viel mit ihrem sozialen Prestige zu tun. Die Daten und Ergebnisse, auf die sie sich stützen, erarbeiten Doktoranden und Postdoktoranden in Laboren, Archiven und Büros. Wenn diese Köpfe, die durch die finanziellen Anreize der Wissenschaftspolitik herangezüchtet werden, nun mehr Dauerstellen fordern, sind dabei weniger Logiken der „Verbeamtung“ als Logiken des Marktes am Werke: Sie wollen, dass sich gute Forschung und die intellektuelle Kompetenz, die sie Millionen Studenten in der Lehre vermitteln, auszahlen.