Kolumne „Nine to five“ : Da sehe ich mich nicht
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Auch eine Idee: Praktikum in einer Restaurierungswerkstatt Bild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild
Die Neuntklässlerin soll sich für ein Pflichtpraktikum entscheiden. Aber ach, die Qual der Wahl! Können ihr die Eltern auf die Sprünge helfen? Die Kolumne „Nine to five“.
Auch weiterführende Schulen, deren Absolventen nicht schon nach Klassenstufe neun in eine Ausbildung starten, haben erkannt, dass ein zeitiger Kontakt zur realen Arbeitswelt wichtig ist, um die Wahl des späteren Studienfachs oder Ausbildungsberufes zu erleichtern. Während viele Bundesländer bis vor einigen Jahren wohl der Ansicht waren, dass Jugendliche früh genug einen Praxisschock erleiden, und diese Konfrontation somit nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich verorteten, absolvieren nun immer häufiger schon Mittelstufenschüler ein Pflichtpraktikum.
In Baden-Württemberg beispielsweise firmiert dieses an Gymnasien unter der Abkürzung „Bogy“, was für „Berufsorientierung an Gymnasien“ steht. Eine gute Sache wäre das – wenn sich die eher wählerische Neuntklässlerin doch bloß für einen Beruf entscheiden könnte, in den sie am Schuljahresende für zwei Wochen reinschnuppern möchte. Das macht ihre Eltern langsam nervös, und so versuchen sie, der Jugendlichen etwas auf die Sprünge zu helfen. Das Kind liebt Hunde, da liegt der Gang zum Tierarzt nahe. Doch dem wird eine Absage erteilt. „Das macht mich traurig, wenn es den Tieren schlecht geht!“ Sie backt gerne – doch die (nicht ganz uneigennützige) Idee, bei der Patisserie ums Eck zu volontieren, deren Macarons die Eltern lieben, stößt auf Widerstand. „Das ist mein Hobby, wenn ich das beruflich mache, macht es keinen Spaß mehr!“
Die 14-Jährige dekoriert gerne ihr Zimmer, aber Innenarchitektur soll es auch nicht sein: „Das ist doch langweilig, wenn man das den ganzen Tag lang macht.“ Schließlich wird die Patentante konsultiert – wohl wissend, dass Pubertierende gerne alles, was von den Eltern kommt, kategorisch ablehnen. Wie es mit Logopädie wäre? Doch die aufkommende Hoffnung wird im Keim erstickt, als die Erklärung des Berufsbildes folgt: „Also da sehe ich mich nicht!“ Der Vater, ein Rechtsanwalt, erkennt nun endlich das wahre Potential seiner Tochter: „Du hast wirklich für alles ein Gegenargument – du kommst am besten mit zu mir in die Kanzlei!“
In der Kolumne „Nine to five“ schreiben wechselnde Autoren über Kuriositäten aus dem Alltag in Büro und Hochschule