Ausländische Therapeuten : Gesucht, begehrt und ausgebremst
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Zum Heulen: Qualifizierte Therapeuten, die beispielsweise in türkischer Sprache behandeln können, fehlen vielerorts. Bild: Picture-Alliance
Fachkräfte aus dem Ausland würden im Gesundheitswesen eigentlich dringend gebraucht. In Deutschland Karriere zu machen ist für sie dennoch schwierig.
Das von der Corona-Krise geprägte Jahr hat auch in der Psyche vieler Menschen Spuren hinterlassen. Laut einer Umfrage der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung stiegen die Patientenanfragen nach einem Therapie-Erstgespräch seit dem Frühjahr 2020 um 40 Prozent. Doch die Wartelisten der Therapeuten sind lang. Und die meiste Geduld müssen Migrantinnen und Migranten aufbringen, die über ihre Sorgen und Nöte in der eigenen Muttersprache reden wollen.
In Deutschland ist das für gut zwei Millionen Menschen Türkisch – die meistverbreitete Sprache nach Deutsch und Russisch. Qualifizierte Therapeuten, die in türkischer Sprache behandeln können, werden vielerorts händeringend gesucht. Denn während ein Arztbesuch auch mit Übersetzer gelingen kann, ist in der Psychotherapie der nuancierte Austausch erfolgsentscheidend für die Behandlung. So moniert unter anderem die deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie eine „Mangelversorgung an kultursensibler, muttersprachlicher Psychotherapie“ in Deutschland.
„Die größte Demütigung meines bisherigen Berufslebens“
Das weiß auch die Psychotherapeutin Elif Demirel, die mit ihrem Mann 2017 von Istanbul nach Berlin zog. Die repressive Politik in der Türkei hatte das Paar dazu bewogen, das Land zu verlassen; ihren wirklichen Namen möchte Demirel daher lieber nicht in der Zeitung lesen. Doch während die deutsche Arbeitswelt ihren Ehemann, einen IT-Spezialisten, mit offenen Armen empfängt, sieht sich Elif Demirel vor große Hürden gestellt. Die sorgsam abgehefteten Dokumente ihres Studienabschlusses und zusätzlicher Weiterbildungen zur Psychoanalytikerin, fließende Englisch- und Französischkenntnisse, zehn Jahre Berufserfahrung – all das zählt bei ihrem Besuch im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales nichts, wie sie erzählt. Der Termin ist kurz, die Qualifikationen werden für irrelevant erklärt, solange etwas anderes fehlt: „Sie müssen erst einmal Deutsch lernen, auf gehobenem Niveau“, wird Demirel gesagt.
Das zweigliedrige System aus Studium und Therapeutenausbildung ist zudem ein deutsches Spezifikum, Demirels Zusatzausbildung und Berufsjahre werden nicht als entsprechende Praxiserfahrung angerechnet, erfährt sie auf dem Amt. Sie wird dazu angehalten, erst ein hohes Sprachniveau zu erreichen und dann eine abermalige langwierige Ausbildung zu absolvieren, um die Anerkennung als Psychotherapeutin in Deutschland zu bekommen. Nur ungern erinnert sie sich an die Situation zurück: „Es war die größte Demütigung meines bisherigen Berufslebens.“
Keine unbürokratischen Behelfe
Eine pragmatische Lösung würde Fachkräften wie Elif Demirel und auch denjenigen helfen, die auf psychotherapeutische Hilfe angewiesen sind. Zum Beispiel in Form einer Genehmigung, für eine gewisse Zeit ausschließlich mit türkischsprachigen Patienten zu arbeiten und erst nach bestandener Deutschprüfung die vollumfängliche Approbation zu erhalten. Aber solche unbürokratischen Behelfe gibt es in Deutschland nicht.
Das bestätigt auch Ellen Breuer, die sich bei der Bundesagentur für Arbeit mit dem Thema Migration und Anerkennung befasst und sich insbesondere mit Gesundheitsberufen beschäftigt. „Folgen wir dem Konstrukt, dass Therapeuten anfangs die Behandlung auf Patienten mit derselben Muttersprache beschränken, wird es schnell schwierig: Denn die Pflichten zur deutschsprachigen Dokumentation und Abrechnung bei den Kassen bleiben bestehen, und sie müssen mit dem deutschen Gesundheitssystem vertraut sein“, sagt die Expertin. Für gelockerte Modelle wäre aber ohnehin nicht die Arbeitsagentur zuständig, sondern der Gesetzgeber.