Mehr Mehrdeutigkeit wagen
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Hofnarren vor Gericht? Rainer Langhans (links) und Fritz Teufel am 4. März 1968 in Berlin Bild: SZ Photo
Die beiden Kommunarden Fritz Teufel und Rainer Langhans riefen 1967 zum Kaufhausbrand auf. Berühmte Philologen hielten das nur für Satire. Dann aber brannte es tatsächlich.
Im Dezember 1976 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass das Landgericht Hildesheim vier Jahre zuvor das Recht des niedersächsischen Volksschullehrers Arthur Sahm auf die freie Äußerung seiner Meinung verletzt hatte. 1970 hatte dieser auf der Straße ein selbstverfasstes Flugblatt verteilt, in dem er sich mit der politischen Vergangenheit des CDU-Bundestagsabgeordneten Otto Freiherr von Fircks während der deutschen Besetzung Polens im Krieg befasste. Fircks habe sich dort an den „nazistischen Untaten während der Besetzung“ beteiligt, wofür man ihn verantwortlich machen sollte.
Das Landgericht gab Fircks recht, der sich wegen des Flugblattes in seiner Ehre verletzt fühlte, und verurteilte Sahm zu einer empfindlichen Geldstrafe. Zwar habe er in seinem Flugblatt nicht wörtlich behauptet, der ehemalige SS-Obersturmführer Fircks habe sich an der „Vernichtung polnischer Menschen“ beteiligt, aber für den „flüchtigen Leser“ auf der Straße habe sich dieser Eindruck „aufdrängen müssen“. Es sei zwar erwiesen, dass Fircks für den SS-Aussiedlungsstab in Litzmannstadt (Łódź) gearbeitet habe, nicht jedoch, dass der sich an Verbrechen beteiligt habe. Sahm jedoch habe diesen Verdacht äußern wollen, das sei auch das Ziel des Flugblattes gewesen. Und das sei üble Nachrede!
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