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„Intellektuelle Monokultur“ : Wirtschaftsstudenten prangern einseitige Lehre an

In der Lehre: Studenten stören sich an einer „intellektuellen Monokultur“. Bild: Helmut Fricke / F.A.Z.

Nur noch Märkte, nur noch rationale Akteure, nur noch Neoklassik: Ein Bündnis aus Wirtschaftsstudenten aus 19 Ländern kritisiert eine angeblich „besorgniserregende Einseitigkeit“ der Lehre. Und erhält prominente Unterstützung.

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          Ökonomen machen sich gerne für einen Wettbewerb der Ideen stark, aus dem Innovationen hervorgehen und in dem sich die besten Ansätze durchsetzen. Doch ausgerechnet in der eigenen Disziplin bleibt dieser Wettstreit auf der Strecke. Das zumindest kritisiert ein Bündnis aus 40 Studierenden-Vereinigungen aus insgesamt 19 Ländern in einem Aufruf für eine „Plurale Ökonomik“.

          Johannes Pennekamp
          Verantwortlicher Redakteur für Wirtschaftsberichterstattung.

          „Wir beobachten eine besorgniserregende Einseitigkeit der Lehre, die sich in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch verschärft hat“, prangern die Studierenden in ihrem am Montag veröffentlichten Aufruf an. Im Kern richtet sich die Kritik gegen die Dominanz der neoklassischen Wirtschaftstheorie in Lehre und Forschung, die nach Ansicht der Studierenden zu einer „intellektuellen Monokultur“ geführt habe. Zentraler Bestandteil der neoklassischen Lehre ist unter anderem die Annahme von wirtschaftlich-rational handelnden Menschen („homo oeconomicus“), die auf perfekt funktionierenden Märkten agieren. Inhaltlich ähnelt der Aufruf damit einem Memorandum aus dem Jahr 2012, mit dem in Deutschland knapp 1000 Forscher und Studierende auf „Fehlentwicklungen innerhalb der Disziplin“ aufmerksam gemacht haben.

          Anders als in anderen Fächern würden sich widersprechende Ansätze in den Wirtschaftswissenschaften nicht gleichberechtigt gelehrt. Neben den Neoklassik-Ansätzen sei es notwendig, andere Schulen einzubeziehen - unter anderem die klassische, die postkeynesianische, die ökologische und die feministische Tradition. „Die meisten Studierenden der Volkswirtschaftslehre verlassen die Universität, ohne jemals von einer dieser Traditionen gehört zu haben.“ Die Initiativen fordern, Wirtschaftsstudenten früh mit der Geschichte des ökonomischen Denkens, der Wirtschaftsgeschichte und den Klassikern der Ökonomie zu konfrontieren.

          „Viel zu häufig nur quantitative Methoden“

          Auch die Forschungsmethoden der Volkswirte sind den Studierenden aus Europa, Süd- und Nordamerika sowie Asien zu einseitig. Es sei selbstverständlich, dass Mathematik und Statistik wesentlich für die Disziplin seien. „Aber viel zu häufig lernen Studierende nur, quantitative Methoden zu verwenden.“ Um Institutionen und Kultur verstehen zu können, müssten allerdings auch andere sozialwissenschaftliche Methoden vermittelt werden. Zudem schotte sich die Disziplin gegenüber Geistes- und Naturwissenschaften zu sehr ab, wodurch soziale und ethische Folgen des wirtschaftlichen Handelns in den Hörsälen zu kurz kämen.

          Im Ergebnis, so befürchten die Initiatoren, verhindere die Einseitigkeit, dass auf Herausforderungen wie Finanzmarktstabilität und Klimawandel künftig die richtigen Antworten gefunden werden. Zu den Unterstützern des Aufrufs gehören auch mehrere Forscher, unter anderen Thomas Piketty. Der französische Ökonom sorgt momentan mit seiner Analyse einer zunehmenden Ungleichheit in kapitalistischen Systemen für Furore.

          Die Studierenden konstatieren in ihrem Aufruf zwar, dass ein Wandel an den Wirtschaftsfakultäten - vorangetrieben durch Studierende auf der ganzen Welt - schon in vollem Gange sei. Auf die Veränderungen innerhalb der Forschung, in der mittlerweile eine kritische Haltung zu idealisierten Modellannahmen etabliert ist, gehen die Initiatoren jedoch nicht ein.

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